310
Buch II.
Mittelalter.
Italien.
Romanischer Styl.
Oertlichkeit ein Thurm. Eine Lunette mit der Taufe Christi
wird (wohl mit Unrecht) noch dem XI. Jahrhundert zuge-
schrieben. Die Handlung geschieht in Gegenwart dreier an-
betenden Engel; aus dem sehr fischreichen Jordan taucht eine
Sirene mit goldnem Schuppenleib hervor, ein Symbol der
Welt und ihrer Lüste") und somit ein bedeutsames Gegen-
bild der Taufe selbst. Das Uebrige besteht meist aus
Scenen der Lebensgeschichte des Täufers, wie er z. B. von
einem Engel in die Wüste geführt wird, von einem Engel
das Kleid aus Kameelhaaren erhält, u. a. zum Theil sehr un-
gewöhnliche Darstellungen mehr
S0 erklärt in der Reda umbe diu tier (XI. Jahrh.), u. a. in
Wackernagehs „altdeutschem Lesebuch", 1. Aufl. Sp. 104.
H) Auch in der unteritalischen Kunst, welche in diesen Zeiten das
Gegenstück zu Venedig bildet, regte sich zu Anfang des XIII, Jahr-
hunderts (und vielleicht schon früher) ein Keim neuer Entwickelung,
worüber vor der Hand noch nicht genauer geforscht ist. Die Galerie
der Studj in Neapel enthält eine beträchtliche Anzahl spätbyzantinischcr
Bilder, wovon einige dieses Factum zu bestätigen scheinen, aber ohne
Angabe der Herkunft, vielleicht aus den verschiedensten Gegenden
Italiens zusammengekauft. Eine Fchule indess, diejenige von Otranto
in Apulien, pflegte ihre Bilder zu bezeichnen, Wenigstens mit der Orts-
angabe. Es sind meist kleine, miniaturartig ausgeführte Altärchen,
Triptychen u. dglf, von durchaus byzantinischer Behandlung in Farbe
und Auftrag. Das Fleisch ist ziegelbraun, die Gewänder sehr dunkel,
die Modellirung gestrichelt, die Lichter hoch (selten mit Gold) auf-
gesetzt. Auffallender Weise verbindet sich hiemit eine ziemlich freie,
breite Auffassung der Körperform; die Gewandung lässt neben dem
bekannten byzantinischen Faltenreichthurn eine sinnvolle und einfache
Anordnung erkennen; auch die Köpfe sind vom byzantinischen Typus
emancipirt und zeigen einen lebendigen Ausdruck. Höchst auffallend
ist vollends das gänzliche Wegbleiben des Goldgrundes, welcher ent-
weder durch schwarzen Grund oder durch eine reich phantastische
Landschaft mit blauem Himmel ersetzt wird. Aus diesen verschie-
denen Gründen wird es aber auch nahezu unmöglich, diese Werke ins
XII. oder XIII. Jahrhundert zu setzen wie D'Agincourt will. Das
schönste Bild der Schule, der auferstandene Christus mit Magdalena,
im museo cristiano des Vaticans, (D'AginC0111't Taf- 92) tfägt die
Inschrift: Donatus Bizamanus pinmit in Hotranto, und derselbe
Familienname kömmt noch mehrmals vor, z. B. auf einer Heimsuchung
Mariä. (Taf. 93), welche oEenbar dem XV. Jahrhundert angehört, ob-
wohl sie im Golorit noch ziemlich byzantinisch ist. Wir müssen aber