Volltext: Franz Kugler's Handbuch der Geschichte der Malerei seit Constantin dem Großen (Bd. 1)

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Buch II. 
Mittelalter. 
Italien. 
Romanischer Styl. 
Oertlichkeit ein Thurm. Eine Lunette mit der Taufe Christi 
wird (wohl mit Unrecht) noch dem XI. Jahrhundert zuge- 
schrieben. Die Handlung geschieht in Gegenwart dreier an- 
betenden Engel; aus dem sehr fischreichen Jordan taucht eine 
Sirene mit goldnem Schuppenleib hervor, ein Symbol der 
Welt und ihrer Lüste") und somit ein bedeutsames Gegen- 
bild der Taufe selbst.  Das Uebrige besteht meist aus 
Scenen der Lebensgeschichte des Täufers, wie er z. B. von 
einem Engel in die Wüste geführt wird, von einem Engel 
das Kleid aus Kameelhaaren erhält, u. a. zum Theil sehr un- 
gewöhnliche Darstellungen mehr  
 S0 erklärt in der Reda umbe diu tier (XI. Jahrh.), u. a. in 
Wackernagehs „altdeutschem Lesebuch", 1. Aufl. Sp. 104. 
H) Auch in der unteritalischen Kunst, welche in diesen Zeiten das 
Gegenstück zu Venedig bildet, regte sich zu Anfang des XIII, Jahr- 
hunderts (und vielleicht schon früher) ein Keim neuer Entwickelung, 
worüber vor der Hand noch nicht genauer geforscht ist. Die Galerie 
der Studj in Neapel enthält eine beträchtliche Anzahl spätbyzantinischcr 
Bilder, wovon einige dieses Factum zu bestätigen scheinen, aber ohne 
Angabe der Herkunft, vielleicht aus den verschiedensten Gegenden 
Italiens zusammengekauft. Eine Fchule indess, diejenige von Otranto 
in Apulien, pflegte ihre Bilder zu bezeichnen, Wenigstens mit der Orts- 
angabe. Es sind meist kleine, miniaturartig ausgeführte Altärchen, 
Triptychen u. dglf, von durchaus byzantinischer Behandlung in Farbe 
und Auftrag. Das Fleisch ist ziegelbraun, die Gewänder sehr dunkel, 
die Modellirung gestrichelt, die Lichter hoch (selten mit Gold) auf- 
gesetzt. Auffallender Weise verbindet sich hiemit eine ziemlich freie, 
breite Auffassung der Körperform; die Gewandung lässt neben dem 
bekannten byzantinischen Faltenreichthurn eine sinnvolle und einfache 
Anordnung erkennen; auch die Köpfe sind vom byzantinischen Typus 
emancipirt und zeigen einen lebendigen Ausdruck. Höchst auffallend 
ist vollends das gänzliche Wegbleiben des Goldgrundes, welcher ent- 
weder durch schwarzen Grund oder durch eine reich phantastische 
Landschaft mit blauem Himmel ersetzt wird. Aus diesen verschie- 
denen Gründen wird es aber auch nahezu unmöglich, diese Werke ins 
XII. oder XIII. Jahrhundert zu setzen wie D'Agincourt will. Das 
schönste Bild der Schule, der auferstandene Christus mit Magdalena, 
im museo cristiano des Vaticans, (D'AginC0111't Taf- 92) tfägt die 
Inschrift: Donatus Bizamanus pinmit in Hotranto, und derselbe 
Familienname kömmt noch mehrmals vor, z. B. auf einer Heimsuchung 
Mariä. (Taf. 93), welche oEenbar dem XV. Jahrhundert angehört, ob- 
wohl sie im Golorit noch ziemlich byzantinisch ist. Wir müssen aber
	        
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