Volltext: Franz Kugler's Handbuch der Geschichte der Malerei seit Constantin dem Großen (Bd. 1)

Venedig, 
Vorhalle 
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San 
Marco. 
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hatte. Hier bietet sich das eigenthümliche Schauspiel dar, 
dass ein kühner und jedenfalls nicht unbedeutender Geist die 
Ueberlieferung mit einem grossartigen Werke durchbricht, 
dass aber seine Nachfolger wieder mehr in die alten Formen 
zurückfallen. 
Schon das grosse Mosaik des Domes in dem nahen 2. 
Torcello, welches die Auferstehung der Todten und das 
Weltgericht darstellt und dem XII. Jahrhundert angehören 
Soll, zeichnet sich durch eine grössere Lebendigkeit der Dar- 
stellung und durch Fülle der Gedanken aus. Üngleich wich- 3. 
tiger aber sind. die Mosaiken in den Kuppelgewölben und 
Lunetten der Vorhalle von San Marco in Venedig selbst. 
Ein Theil dieser Vorhalle, die capella Zeno, zeigt in den 
Mosaiken ihres Tonnengcwvölbes und ihrer Nische das Leben 
des h. Mareus und eine Madonna zwischen zwei Engeln, Ar- 
beiten von allergrösster byzantinischer Eleganz und Sauber- 
keit, welche nieht nur alles Gleichzeitige, sondern auch die 
meisten frühern Werke um ein Bedeutendes übertrifft. Die 
Goldlichter der Gewänder, die Köpfe, kurz alle Einzelheiten 
sind mit der ausserordentlichsten Sorgfalt ausgeführt. Merk- 
würdiger Weise macht sich in der noch durchaus befangenen 
Form ein frischer, abendländischer Geist bemerkbar; die Be- 
wegungen und Beziehungen der Figuren sind lebendiger, die 
Auffassung edler und runder als in den byzantinischen Wer- 
ken. Diese Mosaiken, welche man noch dem XII. Jahrhun- 
dert zuschreiben mag i), bilden den Uebergang zu denjenigen 4- 
der Vorhalle zunächst vor den drei innern Thüren so wie 
längs der linken Seite der Kirche, und diese mögen wohl 
erst dem XIII. Jahrhundert angehören. Sie Stellen theils auf 
ü) G. Piazza (la regia basilica da" S. Marco, Venedig 1835) ver- 
setzt sie ins XVI. Jahrhundert, wahrscheinlich bloss weil die Kapelle 
damals eine neue Bestimmung und einige Veränderungen erhielt. Der 
Styl macht diese Annahme unmöglich.  Von ähnlichem Styl und 
nicht viel geringerer Zierlichkeit ist die Translation des h. Marcus an 
einer Wand des rechten Kreuzarms (vgl. S. 86) und derselbe Gegen- 
stand in der äussersten Wandnische links, an der Vorderseite der Kir- 
che, beides sehr figurenreiche Compositionen. 
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