Volltext: Franz Kugler's Handbuch der Geschichte der Malerei seit Constantin dem Großen (Bd. 1)

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Franz 
Theodor 
Kugler. 
Kraft gebrochen, seine schönen, männlichen Formen vernichtet 
haben; aber du hoffst, beim Wiedersehen die alte treue Stimme 
doch noch zu hören, doch allmählich in seinen Zügen die alte 
Gestalt, den Blick, das Lächeln des Freundes wiederiinden 
zu können;  und du findest ihn, aber einen blutigen, zer- 
fetzten, besudelten Leichnam! Die lilarben des kolossalen 
Bildes sind verschossen, zum Theil verschwunden, in vielen 
kleinen Stückchen abgebröckelt; die Mauer ist feucht und 
schmuzig, doch das wäre zu ertragen. Aber diese vielfachen 
elenden Üeberschmierungen, die wieder snmmt den Original- 
farben verschossen und abgesprungen sind, die das rltlge bei 
der Betrachtung jedes einzelnen Theiles verwirren und 
nirgends mehr eine Form erkennen lassen, diese machen den 
Anblick unerträglich. Ich versuchte alle Mittel, die man ge- 
wöhnlich anwendet, um sich ein verdorbenes Bild wieder le- 
bendig zu machen; ich betrachtete es aus grössernuntl ge- 
ringern Entfernungen, mit mehr oder minder geöffneten Augen. 
Ich glaubte, in diesem oder jenem Gliede einer einzelnen 
Figur etwas von der ursprünglichen Form zu erkennen; aber 
sowie ich ein wenig schärfer hinsah, sowie mein Auge nur 
um eine Linie weiter rückte, war es wieder derselbe Jammer. 
Ich konnte es in dem Refectorium nicht aushalten; ich be- 
zahlte den Custode, der zur Beaufsichtigung des Bildes an- 
gestellt ist, und eilte hinaus ins Freie. Lange konnte ich 
diesen trostlosen Eindruck nicht verwinden, und es war 
alle Heiterkeit und Lust des mir noch neuen Südens nöthig, 
um die alte Unbefangenheit und Frische wieder hervorzu- 
rufen." 
Gewöhnlich 
endete 
bisher 
der 
Forsch 
und 
Studieneifer 
mit Neapel, dessen Paradies von der Kunst ab zur Natur lockt. 
Nlan dachte nicht an Maler, die vor Rafael Spagnoletto und 
dort gemalt haben konnten. Kugler aber zog die Schätze der 
Katakomben an den Tag und setzte die dortigen Arbeiten 
des Giotto und der Neapolitanei- Silnone, Stefanone, Colan- 
tonio und andere, vor allen aber die des Antonio Solario il 
Zingaro und seiner Schüler in das rechte Lieht. Die merk- 
würdigen Lebensschieksale des letztgenannten gaben Veran-
	        
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