XI. und XII. Jahrh.
Miniaturen.
Wandgemälde.
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schmolz, so dass bald der eine, bald der andere Bestandtheil
vorwiegend, immer aber von einer neuen Richtung ergriffen
und gehoben erscheint. Der byzantinische Styl War damals
in seinem Nlutterlande selbst schon dergestalt vertrocknet und
verkommen, dass ein ernstlicher Widerstand und Wetteifer
gegen die Neuerung nicht mehr in seiner Macht lag, selbst
wenn einzelne Nlaler es wollten. Stiickweise und allmiilig
fallt er zusammen; Gesichtsbildung, Extremitäten, Faltenwurf,
Haltung und Geberde erfahren eine allmiilige, oft ziemlich
ungleiche Umgestaltung. Auch hier ist die Benennung „ro-
manischer Styl" nicht unpassend, insofern auch in Italien
erst jetzt. eine Umbildung der antiken Tradition im Geiste
des durch die Völkerivantlerung umgewandelten Volksthums
vor sich geht. Dass die Epoche des byzantinischen Styles
bloss den- Charakter einer durch aussere Umstände herbeige-
führten und aufrechtgehaltencn Zwischenherrschaft. hat, be-
weist die italienische Sculptur, welche schon im XI. Jzthr-
hundert bei aller Rohheit und Barbarei doch im Princip der
deutschromanischen parallel steht. Mochte auch die Erobe-
rung von Konstantinopel durch die Lateiner im Jahre 1204
noch eine Anzahl byzantinischer Kunstwerke und Künstler
nach Italien werfen, so kam doch dieser Anstoss jetzt zu
spät. Gleichzeitig mit denjenigen Werken, in welchen man
den Einfluss dieser letzten Einwanderer zu erkennen glaubt,
entstanden andere, welche bereits einen- sehr beträchtlichen
Fortschritt zeigen; und schon Weit früher lassen sich wenig-
stens die ersten Keime einer rein abendländisch-italienischen
Auffassungsweise verfolgen.
g. 90. Im Granzen stehen die italienischen Denkmäler 1.
des XI. und XII. Jahrhunderts gegen die gleichzeitigen nor-
dischen allerdings zurück, was bei der vorhergehenden Zer-
rüttung aller Verhältnisse in Italien und bei der Verhältniss-
mässigen Blüthe der Länder diesseits der Alpen auch gar
nicht befremden darf. Doch thut man wohl Unrecht, aus
Werken untergeordneter Gattung, namentlich aus einigen
Handschriften, einen strengen durchschnittlichen Schluss zu
ziehen. Handschriften können wohl die hohe Blüthe einer