Volltext: Franz Kugler's Handbuch der Geschichte der Malerei seit Constantin dem Großen (Bd. 1)

XI. und XII. Jahrh. 
Miniaturen. 
Wandgemälde. 
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schmolz, so dass bald der eine, bald der andere Bestandtheil 
vorwiegend, immer aber von einer neuen Richtung ergriffen 
und gehoben erscheint. Der byzantinische Styl War damals 
in seinem Nlutterlande selbst schon dergestalt vertrocknet und 
verkommen, dass ein ernstlicher Widerstand und Wetteifer 
gegen die Neuerung nicht mehr in seiner Macht lag, selbst 
wenn einzelne Nlaler es wollten. Stiickweise und allmiilig 
fallt er zusammen; Gesichtsbildung, Extremitäten, Faltenwurf, 
Haltung und Geberde erfahren eine allmiilige, oft ziemlich 
ungleiche Umgestaltung. Auch hier ist die Benennung „ro- 
manischer Styl" nicht unpassend, insofern auch in Italien 
erst jetzt. eine Umbildung der antiken Tradition im Geiste 
des durch die Völkerivantlerung umgewandelten Volksthums 
vor sich geht. Dass die Epoche des byzantinischen Styles 
bloss den- Charakter einer durch aussere Umstände herbeige- 
führten und aufrechtgehaltencn Zwischenherrschaft. hat, be- 
weist die italienische Sculptur, welche schon im XI. Jzthr- 
hundert bei aller Rohheit und Barbarei doch im Princip der 
deutschromanischen parallel steht. Mochte auch die Erobe- 
rung von Konstantinopel durch die Lateiner im Jahre 1204 
noch eine Anzahl byzantinischer Kunstwerke und Künstler 
nach Italien werfen, so kam doch dieser Anstoss jetzt zu 
spät. Gleichzeitig mit denjenigen Werken, in welchen man 
den Einfluss dieser letzten Einwanderer zu erkennen glaubt, 
entstanden andere, welche bereits einen- sehr beträchtlichen 
Fortschritt zeigen; und schon Weit früher lassen sich wenig- 
stens die ersten Keime einer rein abendländisch-italienischen 
Auffassungsweise verfolgen. 
g. 90. Im Granzen stehen die italienischen Denkmäler 1. 
des XI. und XII. Jahrhunderts gegen die gleichzeitigen nor- 
dischen allerdings zurück, was bei der vorhergehenden Zer- 
rüttung aller Verhältnisse in Italien und bei der Verhältniss- 
mässigen Blüthe der Länder diesseits der Alpen auch gar 
nicht befremden darf. Doch thut man wohl Unrecht, aus 
Werken untergeordneter Gattung, namentlich aus einigen 
Handschriften, einen strengen durchschnittlichen Schluss zu 
ziehen. Handschriften können wohl die hohe Blüthe einer
	        
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