Französisch-niederländische
Miniaturen.
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druckslosen Gesichtern, bei sorgsamer Ausführung, französi-
schen Ursprung. An einem Psalter des Herzogs Jo- 5-
hann von Berry hat eine französische Hand (wahrschein-
lich Maitre Andre Beaunepveu) und eine niederländische
gearbeitet, etwa in den ersten Jahren des XV. Jahrhunderts;
die Behandlung gleicht an Schönheit und Adel der des Meister
Wilhelm, ist jedoch freier, mannigfaltiger und naturgeinässer.
V011 derselben Hand für denselben Fürsten gemalt ist auch
ein Gebetbuch in der Bibliothek der alten Herzöge von
Burgund in Brüssel; ihm nahe verwandt ein desgl. in der
k. Bibliothek in Wien, das der Wittwe Karl IX., Elisabeth
von Oesterreieh gehört hatö). Das Erstgenannte zeichnet 9.
sich durch reiche, biblische und symbolische Darstellungen
und durch die zierlichsten Randarabesken aus, in Welchen
z. B. mehrere tausend Vögelchen vorkommen. In den Figuren
zeigt sich bei grösster Zartheit der Ausführung der feinste
und edelste Geschmack, namentlich sind die Köpfchen mit
einem bewundernswürdigen Gefühl gemalt. In dem zweiten
ist namentlich der Calender von grösstem künstlerischen Reich-
thtlm. Ein anderes Gebetbuch, vom Jahre 1409, übertriHtIO.
an Pracht und an Kunstwerth alles Üebrige, und ist als Üeber-
gang von dem entwickelten gothisehen Styl zum flandrisehen
Realismus von grösster Bedeutungw). Die Vignetten und
Randverzierungen (mit Thieren, Reitern auf Ungeheuern,
n. a. scherzhaften Figuren), so wie die ebenfalls meist phan-
tastischen Initialen zeigen die glänzendste Ausführung, die
grossen Hauptbilder- sind von edehn Styl und von höchst
geistreicher und lebendiger Auffassung. (Ein drittes Gebet-
bUCh, welches ebenfalls für Johann von Berry in einem ähn-
e) Waagen im D. Kstbl. 1850. S. 306.
49k) Schon eine gleichzeitige Aufzeichnung schlägt das Werk auf
4001) Livres tournois an und nennt als Maler "Jaguevrart, Hodin et
autres ozmn-iers de Monseigvzeur", woraus sich das Bestehen einer
ganzen Schule von Miniatoren am Hofe des Herzogs zu ergeben scheint.
Die ungenannten dürften Paul von Limburg und seine Brüder gewesen
sein. Im Ganzen lassen sich nicht weniger als fünf Hände an diesem
Werke erkennen.