Miniaturen.
Französiseh-niederländische
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ausmacht. Aus den bunten illuminirten Federzeichnungen
der streng gothischen Periode werden jetzt lwfmßnisßh alls-
geführte Gemälde, statt des goldenen oder schachbrettartigen
Grundes wird jetzt die Räumlichkeit, sei es Architektur oder
Landschaft, einstweilen in einfachster WVeise, mit grossen
Verstössen gegen die Perspective, angedeutet und der Himmel
durch einen blauen Streif bezeichnet; allerdings nur erste
Versuche in der Darstellung der Wirklichkeit, aber höchst
bedeutsam als einzige und nächste Vorbereitung auf die hohen
iiandrischen Leistungen in landschaftlicher und architek-
tonischer Malerei. In der Auffassung heiliger Personen zeigt
sich eine innere Verwandtschaft mit Wilhelm von Köln, ein
deutliches Streben nach Schönheit, Milde und Seelenreinheit
in den Gesichtszügen, eine edle, ruhige, wenn auch oft allzu
lange Körperdarstellung und dasselbe, nicht mehr statuarische,
sondern weiche, breite, malerische Princip in der Gewandung.
Einzelne Werke sind ihm sogar in der Zeichnung der Köpfe,
in den Verhältnissen der Gestalt, in der Freiheit der Be-
wegungen und vor Allem in der Mannigfaltigkeit des Aus-
druckes weit überlegen; doch ist das Nackte auch hier ins-
gemein mager und schwach. Die Farben sind meist hell
und harmonisch, die Technik von erdenklichster Feinheit und
Sicherheit. Als das Wesentlichsttz jedoch erscheint immer
der hier zuerst hervortretende grosse Reichthum neuer Mo-
tive in Handlungen und (ieberden, die mannigfaltige und
feine Individualisirung der Köpfe, die anmuthigen und un-
gezwungenen Bewegungen, mit einem Worte, die sehr viel-
seitige Naturwahrheit, mit welcher sich durchgängig eine
Neigung zum Humor und zur launigen Darstellung des ge-
wöhnlichen Lebens verbindet. Es sind die ersten Anfänge
derjenigen Richtung, welche sehr bald darauf durch die flan-
drische Schule ihre Höhe erreichte. Allerdings ging die letz-
tere weit über diese Prämissen hinaus, doch kann man hier
erkennen, dass sie keinesweges isolirt, sondern unter einem
hoch begabten, schon damals künstlerisch weit fortgeschrittenen
Volke ihre Wirksamkeit begann.
Die wichtigsten Handschriften der betreffenden Gattung 4,