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Buch II. Mittelalter. DerNorden. Gothischer Styl.
um diesen Zweig der Malerei zu hoher Blüthe zu bringen;
das Wichtigste war die grosse Liebhaberei dreier Söhne
König Johanns des Guten für gemalte Handschriften: Carls
V. von Frankreich (reg. 1364 bis 1380), und seiner Brüder
Johann von Berry (T 1416) und Philipps des Kühner; von
Burgund. Letzterer erbte in der Folge (1388) das kunst-
reiche Flandern und wenige Jahrzehende nach seinem Tode
(T 1405) waren schon fast die sammtlichen Niederlande im
Besitze seiner Nachkommen vereinigt. Allein bereits vorher
wurden die niederländischen Miniatoren vom französischen
Hofe vorzugsweise, und zwar gegen hohe Bezahlung, in An-
spruch genommen; ein „J0hann von Brügge" war schon
Carls V. Hofmaler; überhaupt scheint das durch die Kriege
ausserordentlich erschöpfte Frankreich damals wenigstens in
gewissen Gebieten der Kunst von den Niederlanden mehr
2. oder minder abhängig geworden zu sein". In der That
lassen sich die französischen Miniaturen jener Zeit von den
niederländischen, für Frankreich ausgeführten, um so weniger
trennen, da mehrmals Künstler beider Länder an einem und
demselben Buche arbeiteten. Die französischen Namen be-
weisen nichts, weil sie sich eben so gut auf Flandrer und
Wallonen als auf eigentliche Franzosen beziehen können;
doch erkennt man die Arbeiten der letzt.ern an einem ge-
ringern Reiehthum der Eründung, namentlich in den sehr
conventionellen Köpfen, an den kalten, glanzlosen ldlarben,
3. und dem zwar überaus feinen, aber magern Vortrag. Da-
gegen zeigen die niederländischen Miniatoren eine Ausbildung
und Freiheit des gothischen Styles, welche einen würdigen
Vorgang der bald darauf beginnenden van Eycläschen Schule
e?) Diese Verhältnisse werden erst dann genügend zu erörtern sein,
wenn die französische Kunstforschung einige statistische I-Iauptdata,
aufgestellt haben wird, welche bis jetzt fehlen. Baukunst und Glas-
malerei scheinen selbst über die schlimmen Zeiten von Johann dem
Guten bis auf Carl VII. keinwbedeutende Unterbrechung erlitten zu
haben. Ueber des Johann v. Brügge Miniaturen zu einer französi-
schen Uebersetzung des Vulgata (vom J. 1371) im westindischen Mu-
seum im Haag vergl. Waagen im D. Kstbl. 1856 S. 268.