Französisch
niederländische
Miniaturen.
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Stände vorhanden war. Hier herrscht kein inneres Gesetz der
Schönheit, welches die Gestalten der Heiligen wie die der
Erdenmenschen, die Glorie des Himmels wie die irdische
Leidenschaft und das düstre Schicksal mit gleicher Gewalt
umfasste und zu einem Ganzen Verbände; die beiden Sphären
klaffen auseinander und die irdische fällt dem Unschönen und
selbst dem Gemeinen anheim, auch wo unverkennbar ein
tiefer Ernst zu Grunde liegt.
Wo und wann zuerst ein Todtentanz gemalt worden, g_
weiss man nicht; die ältesten, welche man kennt, derjenige
zu Minden in Westfalen (um 1380), und der des Klosters
Klingent-hal in BßSQl (1387?) sind beide etwas jünger
als das Gemälde des Orcagna. Paris besass schon 1424
am Kirchhof des Innocents einen Todtentanz in Relief. 'Der-
jenige des Klosters Klingenthalat) ist gegenwärtig fast ganz-
lich zerstört, aber aus kleinen Copien bekannt, welche wenig-
stens das Allgemeine der Darstellung wiedergeben und einen
noch ziemlich schlichten gothischen Styl verrathen. Sehr viele
Motive sind daraus in den ungleich berühmtern Todtentanz
des Predigerklosters in Basel übergegangen, welcher
bei den Schulen des XV. Jahrhunderts zu besprechen scin
wird; nur ist diese ursprüngliche Darstellung einfacher und
der Humor mehr angedeutet als lebendig durchgeführt.
ä. 87. Mit der höhern Entwicklung des germanischen
Styles in Deutschland durch die Schulen von Prag, Nürnberg
und Köln ging eine analoge Bewegung in der westeuropäi-
schen Kunst parallel, Welche sich allerdings bis jetzt nur
durch eine besondere Gattung von Arbeiten, nämlich durch
die französisch -nieder1ändischen Miniaturen die-
ser Zeit, speciell aus den Jahren 1360 bis 1410, belegen
lässt"). Damals vereinigten sich mehrere äussere Bedingungen,
ü) Nach einer irrig gelesenen Jahrzahl wird derselbe mit Unrecht
ins Jahr 1312 versetzt.
H) Waagen Kunstwerke und Künstler in England und Paris, III,
S. .353 u. f. Ueber zwei flandrische Altarsehreine im Museum v. Dijon
von Melchior Broederlam gemalt (Ende des XIV. J.) s. Kstbl. 1834, N. 34.
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