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Buch II.
Mittelalter.
Der Norden.
Gothischer Styl.
an die heil. Vcronika in der Pinakothek erinnern, jedoch des
tiefern physiognomischen Gehalts entbehren und im Ausdruck
gleichgültig erscheinen. Seit der Mitte des XV. Jahrhun-
derts Weicht übrigens auch in dieser Schule der gothische
Idealismus vor einem sehr bestimmten flandrischen Einfluss
und einer neuen, einheimischen Entwickelung zurück.
1. ä. 84. Einige Glasgemältle vom Anfang des XV. Jahr-
hunderts, mit den Legenden des Apostels Paulus und des
heil. lnlieronymus, in der F rauenkirche zu Lübeck (ehe-
mals in der dortigen Burgkirche, schreibt man mit grösster
lvVahrscheinlichkeit einem von Jugend auf in Lübeck ansässigen
Italiener, dem F rancesco, Sohn des Domenico Livi aus
Gambassi (bei Volterra) zu. Dieselben lassen eine eigen-
thümliche Durchdringung des entwickeltem deutsch-gothischen
Styles und desjenigen einiger Nachfolger Giottds (des Ag-
nolo Gaddi, des Cennino) erkennen, doch so, dass der erstere
vorwiegt. Mit einer freien, hie und da selbst. naturalistischen
Behandlung verbindet sich eine zarte Milde und ein idealer
Ausdruck der Köple in der Weise der kölnischen Schule,
auch ist die Färbung nach Art. derselben mild und gebrochen.
Als der ausgezeichnetste .Meister seines Faches, von dem
man eine Kunde hatte, wurde lilrancesco im Jahre M36 unter
sehr ehrenvollen Bedingungen nach Florenz berufen, und
versah in der Folge den Dom von Florenz mit Glasgemälden.
Die noch vorhandene Urkunde seiner Berufungx) lehrt, dass
g_ er die Glasmalerei in Lübeck selbst erlernt hatte. Ein
anderes, dem kölnischen Styl noch unmittelbarer verwandtes
Werk ist das grosse Facadenfcnster der Kirche von Alten-
berg bei Köln, mit zwei Reihen von Heiligen unter reicher,
burgartiger Architektur, über welcher musicirende Engel und
die 4 Kirchenlehrer sichtbar werden. Alles Figürliche zeigt
eine volle und reiche gothische Formenauttassung, ist aber,
der Cistercienserregel gemäss, nur grau in grau ausgeführt.
ü) Bei Gaye, carteggio ined. dütrt-isti, I]:
Krönung der Jungfrau in der grössten Kapelle
Aruzzo ist (oder war) seinßvßrerk.
S. 441. Auch eine
der Pfarrkirche von