Stephan
VOII
Köln.
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die kindliche Anmuth des vMeisters zu einer klassischen
Reinheit der Form und zum schönsten, reizvollsten Ausdruck
steigert.
In mehr als einer Beziehung ist dieses Werk ein Mark- 5.
stein nordischer Kunst. Man möchte glauben, es habe sich
damals noch gefragt, 0b die deutsche Malerei einen durch-
gebildeten, allseitigen Idealismus aus sich heraus gebären
würde oder nicht, und um so unbegreiHicher erscheint das
S0 baldige und völlige Verschwinden dieser so gross ange-
legten Richtung vor dem rasch eindringenden flandrischen
Realismusa"). Vor der Hand genügt es indess, auf die ersten
Spuren des letztern in diesem YVcrke selbst aufmerksam zu
machen. Zwar ist dasselbe nicht in Oelff), sondern wie alle
altern deutschen Tafelbilder in Tempera gemalt; allein die
Wirkungen, Welche damals die Brüder van Eycla durch die
Technik ihrer Oelmalerei zum Erstaunen der Welt hervor-
brachten, sind hier durch Hinzufügung eines ebenfalls höchst
vorzüglichen, den Nürnbergern und Kölnern eigenen Binde-
mittels (welches wir nicht mehr kennen) auf das Sinnreichste
nachgeahmt; so z. B. die blendende Spiegelung der Rüstun-
gen, das Schillern der Gewandstoffe, viele Einzelheiten des
Costüms und dergl. mehr. Damit sind noch andere Aeusser-
liehkeitcn der flandrischen Darstellung auf Stephan überge-
gangen, z. B. manche schon eckig gebrochene Falten, doch
so, dass im Ganzen noch der grosse, ruhige Blaltemvurf des
gothischen Styles vorherrscht. Dagegen ist der naturalistische
Zug in manchen Figuren wahrscheinlich als Stephans Eigen-
thum oder vielmehr als ein der deutschen Kunst überhaupt
innewohnender Antrieb zu betrachten, da er nicht wie bei
den flandrischen Malern in das streng Individuelle, Portrait-
mässige übergeht, sondern sich auf einer gewissen allgemei-
Das Jahr 1426 ist das Todesjahr des Hubert van Eyek und
der Beginn der höchsten Blüthezeit seines Bruders Johann.
H) Im Gegensatz zu dieser Behauptung erklärt Waagen (Handb.
(L Gesch d_ Malerei Th, I, S. 158), dass das Donibild sicher in Oel
gemalt sei.