Volltext: Franz Kugler's Handbuch der Geschichte der Malerei seit Constantin dem Großen (Bd. 1)

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Buch II. Mittelalter. DerNorden. Gothisclaer Styl. 
äve. 
eine vollkommen organische und lebendige Handhabung der 
Menschengestalt hat vor Lionardo da Vinci wohl nirgends 
stattgefunden,  allein schon die Nürnberger Schule besass 
wenigstens eine ziemliche Kenntniss der Hauptformen und 
Dimensionen des Kopfes und der Extremitäten, während die 
Kölner Maler hier in einer grossen Willkür befangen blieben. 
Stirn, Nase, Mund und Augen wollen in ihrer Form und 
Lage sehr oft zu dem ganz eigenthümlich rundlichen Umriss 
des Kopfes nicht stimmen, und selbst wo der Schönheitssinn 
und die psychologische Intention des Einzelnen, wie z. B. im 
vorliegenden Fall, dennoch den Sieg davonträigt, blickt der 
Mangel noch immer deutlich genug durch. Auch die Hände 
sind in dieser Schule (und selbst in diesem sonst so schönen 
Bilde) ohne Verhältniss und von befremdlicher Dünne der 
Finger, die Arme durchgängig zu kurz. Ebenso ist in den 
Figuren der HH. Katharina und Barbara auf der Innenseite 
der Flügel bereits eine dem WVilhelm und seiner Schule 
eigene Schmächtigkeit des Körpers zu bemerken, welcher bis- 
weilen wie in der Mitte geknickt erscheint   Die Aussen- 
seite der Flügel enthält eine Verspottung Christi auf schwar- 
zem Grunde, offenbar von derselben Hand, durchaus leicht 
und kühn hingeworfen; die bizarren Gestalten der Wider- 
a4. sacher offenbaren ein derb naturalistisches Streben.  Eine 
Tafel des Berliner Museums, welche auf 35 kleinen Feldern 
die Geschichte Christi (auf dem letzten die Donatoren) ent- 
hält, stimmt mit diesem Aussenbilde so sehr überein, dass sie 
demselben Maler zugetheilt werden muss. Die Behandlung 
ist leicht, ja beinahe skizzenhaft und hie und da sehr unbe- 
stimmt, das Ganze jedoch reich an guten Motiven, nament- 
5. lieh in der Gewandung.  Ferner hat dieselbe Hand einen 
bedeutenden Theil gehabt an dem grossen sog. Clarenaltar 
ü) Es ist hier ausdrücklich hervorzuheben, dass diess nur von der 
frühern Periode der Schule gilt, nicht aber von Meister Stephan und 
seinen Nachfolgern, welche einigermassen von der inzwischen empor- 
gekominenen flandrischen Malerei influenzirt wurden und schon an 
sich eine neue Entwickelung innerhalb der Schule ausmachen.
	        
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