Meister
Wilhelm
VOII
Köln.
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stehend, die HH. Petrus, Maria, Johannes und Castor, Alles
auf damascirtem Goldgrund. Petrus und Castor erinnern in
ihrer einfachen, statuarischen Ruhe am meiSfen all den Streng
gothischen Styl, haben aber bereits die weiche, runde Ge-
sichtsbildung der kölnischen Schule. Bewegter ist die Mittel-
scene, welcher sie zur Einfassung dienen. Maria und Johan-
nes zeigen in ihren Geberden und Gesichtszügen (welche,
vielleicht nicht ohne Absicht, schmaler gehalten sind) den
Ausdruck eines tiefen Schmerzes, welcher besonders bei Jo-
hannes etwas höchst Ergreifendes hat. In dem Portraitkopf
des Erzbischofes ist ein deutliches Streben nach einer etwas
rohen Naturwahrheit sichtbar, doch erscheint die Behandlung
minder geistreich als in manchen Gestalten des gewöhnlichen
Lebens auf andern Bildern dieser Schule. Was dem Ganzen
noch den Character des Üeberganges vom alten zum neuern
VStyle giebt, ist wesentlich die etwas strenge und plastische
Behandlung der Formen, namentlich der Gewänder, was in-
dess auch mit auf der monumentalen Bestimmung und Tech-
nik des Werkes beruhen mag. Hieran reiht sich am Näch- 3.
sten ein kleiner Flügelaltar im lHuseum zu Köln. Das Mit-
telbild enthält die Halbfigur der h. Jungfrau mit dem Christ-
kinde auf dem Arme, welches ihr das Kinn streichelt; sicher
eines der anmuthigsten Bilder der nordisch-mittelalterlichen
Kunst, "welches zugleich die malerische Praxis der Schule
schon auf ihrer vollen Höhe zeigt. Die Carnation ist von
Weichstem Schmelz, mit lichtgrünlichen Schatten und weiss-
röthlichen Lichtern, das Haar der Madonna röthlichblond;
auch die gebrochenen Farben der Gewandung zeigen viele
Klarheit und das deutliche Streben nach gesetzmässiger Har-
monie. Der Kopf ist von grösster Lieblichkeit des Aus-
druckes und mag wohl als der reinste frühere Typus des
Weiblichen Kopfes in dieser Schule betrachtet werden, zeigt
aber auch einen Grundmangel, welcher durch alle Werke der-
selben durchgeht: die grosse Unkenntniss des Knochenge-
stelles im menschlichen Körper. Die ganze Malerei jener
Zeit theilt zwar diesen Vorwurf bis zu einem gewissen Grade;
anatomische Erforschung war überhaupt noch unerhört, und