Volltext: Franz Kugler's Handbuch der Geschichte der Malerei seit Constantin dem Großen (Bd. 1)

Meister 
Wilhelm 
VOII 
Köln. 
265 
stehend, die HH. Petrus, Maria, Johannes und Castor, Alles 
auf damascirtem Goldgrund. Petrus und Castor erinnern in 
ihrer einfachen, statuarischen Ruhe am meiSfen all den Streng 
gothischen Styl, haben aber bereits die weiche, runde Ge- 
sichtsbildung der kölnischen Schule. Bewegter ist die Mittel- 
scene, welcher sie zur Einfassung dienen. Maria und Johan- 
nes zeigen in ihren Geberden und Gesichtszügen (welche, 
vielleicht nicht ohne Absicht, schmaler gehalten sind) den 
Ausdruck eines tiefen Schmerzes, welcher besonders bei Jo- 
hannes etwas höchst Ergreifendes hat. In dem Portraitkopf 
des Erzbischofes ist ein deutliches Streben nach einer etwas 
rohen Naturwahrheit sichtbar, doch erscheint die Behandlung 
minder geistreich als in manchen Gestalten des gewöhnlichen 
Lebens auf andern Bildern dieser Schule. Was dem Ganzen 
noch den Character des Üeberganges vom alten zum neuern 
VStyle giebt, ist wesentlich die etwas strenge und plastische 
Behandlung der Formen, namentlich der Gewänder, was in- 
dess auch mit auf der monumentalen Bestimmung und Tech- 
nik des Werkes beruhen mag.  Hieran reiht sich am Näch- 3. 
sten ein kleiner Flügelaltar im lHuseum zu Köln. Das Mit- 
telbild enthält die Halbfigur der h. Jungfrau mit dem Christ- 
kinde auf dem Arme, welches ihr das Kinn streichelt; sicher 
eines der anmuthigsten Bilder der nordisch-mittelalterlichen 
Kunst, "welches zugleich die malerische Praxis der Schule 
schon auf ihrer vollen Höhe zeigt. Die Carnation ist von 
Weichstem Schmelz, mit lichtgrünlichen Schatten und weiss- 
röthlichen Lichtern, das Haar der Madonna röthlichblond; 
auch die gebrochenen Farben der Gewandung zeigen viele 
Klarheit und das deutliche Streben nach gesetzmässiger Har- 
monie. Der Kopf ist von grösster Lieblichkeit des Aus- 
druckes und mag wohl als der reinste frühere Typus des 
Weiblichen Kopfes in dieser Schule betrachtet werden, zeigt 
aber auch einen Grundmangel, welcher durch alle Werke der- 
selben durchgeht: die grosse Unkenntniss des Knochenge- 
stelles im menschlichen Körper. Die ganze Malerei jener 
Zeit theilt zwar diesen Vorwurf bis zu einem gewissen Grade; 
anatomische Erforschung war überhaupt noch unerhört, und
	        
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