Köln.
Wilhelm von
Meister
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Der war der beste Maler in allen teutschen Landenö), als
er ward geachtet von den Meistern. Er malet einen jeglichen
Menschen von aller Gestalt; als hätte er gelebt-V Hieraus
dürfen wir schliessen oder wenigstens vermuthen, dass der-
jenige Maler, mit welchem die grosse Veränderung eintrat,
eben dieser Wilhelm seidig), und dass das Aufkommen der
11611611 Richtung ein grosses Aufsehen weit und breit erregte;
denn die Erwähnnng eines Künstlers bloss um seines Ruhmes
willen bei einem mittelalterlichen Chronisten, welcher nicht in
derselben Stadt, ja nicht einmal in deren Nähe wohnte, ist
eine der auffallendsten Erscheinungen. (Dagegen berechtigen
die letzten angeführten Worte der Chronik nicht etwa zu der
Annahme, dass Wilhelm eine realistische Kunstrichtung be-
folgt habe; sie sind vielmehr der stehende Ausdruck mittel-
alterlicher Verwunderung über jede Darstellungsweise, welche
sich einigermassen dem Leben näherte). Der bequemem Be-
Zeichnung wegen behalten wir übrigens den schon herkömm-
lich gewordenen Namen eines „Meister Wilhelm" für eine
Reihe vorzüglicher, einer bestimmten Hand angehörenden
Werke der ersten Blüthezeit der Schule bei.
Einem der nächsten Vorläufer dieses Malers mag ein 4.
sehr verblichenes Wandgemälde zu S. Severin in Köln
(in einem Nebenraume rechts von der Crypta) zuzuschreiben
sein, welches Christus am Kreuz zwischen Maria, Johannes
und sechs andern Heiligen darstellt. Die Gewandung hat
ü) Nach einer andern Recension sogar: „in der Christenheit"; s.
Passavant a. a. O. S. 405.
H) In den kölnischen Urkunden kommt schon seit dem Jahre 1360
ein Maler "Wilhelm von Herle" vor, welchen man gewöhnlich mit
dem grossen Meister Wilhelm identifieirt. Allein diese Verlängerung
um 20 Jahre stimmt mit manchen Entwiekelungsmomcnten den
unten anzufiihrenden Bildern nicht überein und würde zu der Annahme
nöthigen, dass während einer so langen Künstlerlaufbalm WVilhelms die
Kunst, welcher er einen so mächtigen Anstoss gegeben, auf gleicher,
und zwar gleich anziehender Stufe geblieben sei, was den historischen
Entwiekelungsgesetzen, wo bei höher erwecktem Leben stets neuer
Fortschritt oder Verfall auf einander folgen, zuwider ist. Auch thut
der Name wenig zur Sache.