Kölnische
Schule.
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sprechen, wie hier. Einen Idealismus der Form hat es noch
oft gegeben und zwar, zumal wo die Antike sich als Vorbild
geltend machte, mit ungleich grösserm Erfolge, als in de? S0
betangenen altkölnischen Schule. Diese nimmt dagegen einen
Idealismus des sittlichen Wollens in Anspruch, welchen Selbst
die grössten Italiener des XVI. Jahrhunderts nicht in so un-
getheiltem Sinne erstrebten noch erreichten. NLurITra Ange-
ligo da Fiesole kommt hiemit in Vergleich. In ihm allein
zeigt sich dasselbe Wollen, welches einzig auf die Darstellung
des Göttlichen und Heiligen als solchen gerichtet ist. Mochte
auch bereits die ältere gothische Malerei dasselbe Ziel ver-
folgt haben, so hatte es doch wegen der Beschränktheit in
der Formenbildung bei der blossen Intention sein Bewenden
gehabt; jetzt dagegen war man zu einem ungleich deut-
lichern und sprechcndern Ausdruck gelangt, indem die neu
gewonnenen- Mittel eine bisher nicht bekannte Belebung der
Köpfe und Geberden gestattetenle).
Nach dem eben Gesagten leuchtet es übrigens ein, dass 4.
dieser Schule ganze grosse Sphären künstlerischer Darstellung
verschlossen bleiben mussten. Schon die Bezeichnung jedes
kräftigen Handelns überhaupt lag ihr ferne und sie hat das
dramatische Element, wozu die Kunst des XIII. Jahrhunderts
einen nicht unbeträchtlichen Anlauf genommen, kaum irgend-
wie weiter gebildet. Noch viel weniger gelangen ihr die Mo-
mente der heftigern Leidenschaft und der Bosheit, und wo
dergleichen, wie oben angedeutet, nicht zu umgehen War, da
kam wie bei Fiesole ein oft sehr skurriles Zerrbild zum Vor-
schein. Auch innerhalb derjenigen Gegenstände, welche
diesen Malern mehr zusagten, war es nicht zu vermeiden,
Wir wollen hier die Vermuthung blos andeuten, dass die köl-
nische Schule nicht als ein durchgängiger Ausdruck der Zeitstimmung
anzusehen Sei, dass sielvielmehr ihrer Zeit als eine Minorität gegen-
über gestanden habe, ähnlich wie die damalige Mystik, mit Welcher
sie vielleicht in einem engen, selbst lokalen Zusammenhange stand.
Nicht lange nach 1400 hatte in Italien und den Niederlanden schon
überall der Realismus in der Malerei das Feld gewonnen, vor wel-
chem die altkölnische Schule in der Folge wie ein Hauch zerstiebt.