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Buch II.
Mittelalter.
Der Norden.
Gothischer Styl.
schiedenheit; ja in mehrern Beziehungen, z. B. in der natur-
gemässen Zeichnung der Augen, in der Heissigen Modellirung
und vor allem in der überaus klaren Färbung zeigt sich hier
und in andern nürnbergischen Bildern eine entschiedene
Ueberlegenheit über die gleichzeitigen Nachfolger Giotto's,
welche damals an der Spitze der italienischen Malerei stan-
5. den. Etwas später, vom Jahre 1385, ist der Tuchersche
Hochaltar in der Frauenkirche. Das Mittelbild stellt. Christus
am Kreuz, zu den Seiten die Verkündigung und die Auf-
erstehung, die Flügel Christi Geburt und zwei Apostel dar,
Alles auf damascirtem Goldgrund. Die Figuren sind etwas
" gedrungen, stehen aber sonst den vorigen in keiner Weise
nach und zeichnen sich besonders die Maria am Fusse
des Kreuzes und der Engel bei der Verkündigung durch
6. Schönheit und Lebendigkeit des Ausdruckes aus. Der
Volkamefsche Altar des heil. Theocarus im Chor von S. Lo-
renz, vom Jahre 1406, woran blos die Flügel und die Altar-
statfel (mit biblischen Vorgängen und mit der Legende des
Heiligen) bemalt sind, das Innere aber aus Schnitzwerk be-
steht, ist von keinem bedeutenden Künstler, allein wichtig
als Beweis, das zu Anfang des XV. Jahrhunderts noch in
allen Theilen die oben geschilderte Kunstweise in Aus-
übung war; besonders fällt auch hier die_edle Bildung der
7. Köpfe auf. Vielleicht aus derselben Zeit ist der Haller-
sehe Altar im Schiff von S. Sebald, dessen Mitt.elbild Wie-
derum Christus am Kreuze zwischen den Seinigen darstellt,
während die Flügel Christus am Oelberg, mehrere Heilige
und die Stifter enthalten. Die letztern sind auffallend gut
gezeichnet und sehr individuell; im Üebrigen stimmen diese
Bilder mit den obigen in allen Vorzügen überein, nur dass
die Verhältnisse etwas kurz, die Köpfe rundlich, die Extre-
8. mitäten nachlässig ausgefallen sind. In der Frauenkirche
(erste Säule, links) befindet sich eine gemalte Gedächtniss-
"tafel vom Jahre M50, welche als eines der spätesten gothi-
sehen Denkmale Nürnbergs den Beweis liefert, Welche Schön-
heit und Ausbildung dieser Styl damals erreicht hatte. Oben
verehren Joseph und Maria das von einem Geldschein um-