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Buch II.
Mittelalter.
Der Norden.
Styl.
Gothischer
wie er sich selbst in einer Inschrift der Vituskapelle zu Mühl-
hausen am Neckar nennt, ist ein böhmisches lrVei-k in diese
schwäbische Kirche gerathen: der Flügelaltar auf der west-
lichen Emporef) Das Mittelbild zeigt den heil. Weneeslaus,
die Flügel auf der einen Seite die hh. Sigismund und Vitus,
auf der Kehrseite eine Verkündigung und Krönung der h.
Jungfrau, eine Kreuzigung und einen leidenden Christus
zwischen den Passionswerkzeugen, vor ihm der knieende
Stifter, alles auf Goldgrund. Wahrscheinlich sind diese Ge-
mälde das Werk eines Schülers. des Theodorich, vom Ende
des XIV. Jahrhunderts; wenigstens haben sie alle Mängel
der altböhmischen Schule, breite und plumpe Gesichtsformen,
kleine Augen, spärlich gefaltete Gewandung u. s. w., bei einer
4. sonst sorgfältigen Technik Hi). Noch ist ein grosses Mosaik-
gemälde anzuführen, Welches sich am Aeussern des Prager
Domes, an der Südseite befindet. Es zerfäillt in drei Ab-
theilungen: in der Mitte Christus in der Glorie, von Engeln
umgeben, sechs böhmische Heilige unter ihm, und noch tiefer
die Donatoren des NVerkes, Carl IV. und seine Gemahlin;
auf der linken Seite Maria mit mehreren Heiligen, darunter
die Auferstehung der Todten; auf der rechten Seite Johannes
der Täufer, ebenfalls mit Heiligen, darunter die Verdammten.
Der Styl dieses Werkes ist Wiederum roh, und das Ganze
mehr nur als beinahe einziges Beispiel musivischer Technik
aus dieser Periode der deutschen Kunst merkwürdig. (So
viel wir wissen, findet sich ausser der grossen mosaicirten
Hautrelieffigur der h. Jungfrau am Chor der Kirche von Ma-
rienbur g in Preussen nur noch ein Gegenstück vor: das
llllosaikgemälde am Aeussern des Domes von Marienwer-
der, welches die Marter des Evangelisten Johannes darstellt).
ü) Vgl. Grüneisen a. a. O. Waagen, Kunstw. und Künstler
in Deutschland, II, S. 226.
a?) Die im vorigen Jahrhundert angeregte Streitfrage, ob die böh-
mische Tafelmalerei sich des Oeles bedient habe (wie die chemische
Prüfung einzelner Bilder zu beweisen schienw, wird von Passavant
a. a. 0. Kunstblatt, 1841, No. 88, entschieden verneint.