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Buch II.
Mittelalter.
Der Norden.
Gothischer Styl.
Und jin der That besitzt Köln noch heute eine nicht unbe-
deutende Anzahl von frühgothischen Bildern, welche zwar nicht
so alt sind als die Worte des Dichters, aber doch theilweise
bis in den Anfang des XIV. Jahrhunderts hinaufreichen mö-
.4. gen x). Zunächst kommen hier einige zusammengehörige Ge-
mälde auf Goldgrund in Betracht: Johannes, Paulus, die
Verkündigung und die Darstellung im Tempel, welche den
oben erwähnten Wandmalereien im Chor noch sehr nahe
stehen. Im Ganzen herrscht auch hier die Ümrisszeichnung
vor, doch zeigt sich in den Köpfen eine leise, in den (sehr
edel, ja grossartig gelegten) Gewändern eine starke Modelli-
rung, nur dass letztere willkürlich und der Wirklichkeit fremd
ist. Die Köpfe sind noch ohne Ausdruck, die Geberde eon-
ventionell, doch ist in dem Bilde der Verkündigung das
schüchterne Erstaunen der h. Jungfrau nicht ohne Lebens-
.5. gefühl ausgesprochen. Ungefähr dasselbe gilt von einem
kleinen Flügelaltar, der auf dem Mittelbilde die Kreuzigung,
auf den Flügeln links die Geburt Christi und darunter die
Anbetung der Könige, rechts die Himmelfahrt Christi und die
Ausgiessung des heil. Geistes, auf der Aussenseite der Flügel
endlich eine Verkündigung und zwei weibliche Heilige ent-
hält. Die Gesichter haben auch hier kaum einen Beginn von_
Ausdruck, aber die Auffassung ist schon mannigfach bedeu-
tend und die Intentionen des Künstlers nicht ohne Entschie-
6. denheit und Grösse dargelegt. In einem sonst rohen Bilde
des Gekreuzigten, welcher von Scenen aus der biblischen in
24 kleinen Feldern und von 12 Iileiligen in 2 Feldern um-
geben ist, zeigen sich schon Eigenthümlichlzeiten des Farben-
auftrages, Welche die später ausgebildete kölnische Schule
7. charakterisiren, z. B. aufgesetzte Glanzlichter. Zwei kleine,
an sich unbedeutende Bildchen: ein Crucilix mit Maria und
Da. stand der Sohn Sieglindens so minniglich und schön
Als 0b er wäl" entworfen auf einem Pergamen
Von guten Meisters Händen
i?) Die meisten derselben befinden sich im städtischen (ehemals
Wallrafschen) Museum; doch wissen wir ihre jetzige Aufstellung nicht
anzugeben.