Tafelbilder.
Der Niederrhein.
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war zu einer ungleich genauern Durchbildung des Einzelnen
genöthigt als die Wand- und Glasmalerei; sie musste sich nun
bis zu einem gewissen Grade auf den Organismus des
menschlichen Körpers, uf Schatten- und Lichtwirkung, auf
eine modellirende Bezeichnung der Formen, endlich auf eine
gewisse Durchführung in Physiognomie und Ausdruck ein-
lassen, und als sie es so weit gebracht, wirkte diess auf jene
beiden andern Gattungen um so unvermeidlicher zurück, da
Tafelmaler, YVandmaler und Glasmaler in sehr vielen Fällen
dieselbe Person sein mochten. Jedenfalls aber besass man
schon im XIV. Jahrhundert an der Tafelmalerei eine Norm
und Regel Dessen, was in der malerischen Ausführung über-
haupt geleistet werden konnte, und jetzt durften auch die an-
dern Gattungen nicht mehr bei der colorirten Linearzeich-
nung stehen bleiben.
WVeit wichtiger als diese äussern Ursachen und Verhält- 2..
nisse muss allerdings eine mit denselben parallel gehende
Entwickelung im Leben der Nationen gewesen sein, deren
vollständigere Wirkung wir in dem nächsten Abschnitt zu
betrachten haben werden. Hier genügt es vor der Hand, sie
neben jenen Veränderungen in den Aufgaben der Malerei
als zweites und bedeutenleres Element genannt zu haben.
Für die Tafelmalerei waren frühe schon die Gegenden 3,.
des Niederrheins berühmt. Eine mehrfach angeführte Stelle
aus dem zu Anfang des XIII. Jahrhunderts abgefassten Par-
cival des Wolfram von Eschenbach führt Köln und M aestricht
sprichwörtlich als Hauptorte für diese Kunstübung an:
Es hätte kein Maler zu Köln oder Maestricht
S0 giebt die Aventiure Bericht
Eine Kriegergestalt gemaltiso schön
Als der Knapp zu Ross war anzusehnf).
ü) Uebersetzung von San Marte, S. 121. Im Original steht hier
für Maler: Schiltere, also Sehildermaler, Tafelmaler, im Gegensatz
zum Wandmaler und Büchermaler. Auf die Arbeit des letzteren be-
zieht sich die bekannte schöne Stelle im Nibelungenliede (Uebersetzung
von Simrock, S. 54):