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Buch II.
Mittelalter.
Der Norden.
Gothischer Styl.
6. thischen Typus entsprechen dürften. Für die durchgängige-
Bemalung der Gewölbe, welche im XIV. Jahrhundert bei
grössern "gothischen Kirchen schon eine Seltenheit sein
inochtele), giebt die Marienkirche zu Colberg in Pom-
mern") ein Beispiel von auflallendem Reichthum. Erhalten
(und in verhältnissmässig sehr gutem Zustande) sind hier die
Fresken am Gewölbe des lldittelschiffs, welche in 32 grössern
Feldern die in der üblichen Parallele zusammengestellten Ge-
schichten des alten und des neuen Testamentes, und in
40 kleinern Dreiecken theils singende und musicirende Engel,
theils andere Figuren enthalten. Diese letztern scheinen ohne
kirchlichen Bezug, mehr als allgemeine Belebung der archi-
tektonischen GGWÖlbCfOTIII, als dekorative Versinnliehtmg der
tragenden Kräfte derselben gemalt zu sein; eine für jene be-
fangene Zeit sehr ausserordentliche Befreiung von dem reli-
giösen Gedanken zu Gunsten eines rein künstlerischen. Auch
sind diese Nebenfiguren das Freiste und Lebendigste an dem
ganzen Werke, während die übrigen Gemälde, besonders die
der grössern Felder, die hergebrachten Typen des XIV. J ahr-
hunderts nur in troekner, mittelmässiger WVeise, ohne Lebens-
gefühl und individuell poetische Auffassung wiederholen. Die
Behandlung besteht, wie damals überall, in einfach colorirter
7. Linearzeichnung. Aehnlichen Styl zeigen die Reste von
Nlalereien am Chorbogen der Marienkirche zu Treptow
8. an der Rega. In der Katharinenkirche zu Lübeck
befindet sich ein Wandgemälde aus der ersten Islälfte des
XIV. Jahrhunderts, drei Bischöfe vorstellend von wenigstens
9, handwerklicher Tüchtigkeit. In eine sehr frühe Zeit des
gothischcn Styles, vielleicht noch in deniAnfang des XIII.
Jahrhunderts, gehörten die acht Fürstenbilder an den Pfeilern
der Klosterkirche zu M emleb en an der Ünstrut, Welche
jetzt so viel als gänzlich verschwunden sind fahl"). Es Waren
9') Die Kirche von Ramersdorf ist romanisch, nur die Fresken ge-
hören der gothischen Zeit an.
im) S. Kugler, Pommersche Kmstgeschichte, S. 182 u. f.
am) In nicht ganz genügenden Abbildungen erhalten bei L. Putt-
rich: Denkmale der Baukunst des Mittelalters in der königl. preuss_