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Buch II. Mittelalter. Der Norden.
Gothischcr Styl.
gemz.
in Parallele gesetzt mit der zweiten, nämlich der Erlösung;
doch überwog ohne Zweifel die Absicht, den Herrn aller
Dinge am letzten Abschluss der ganzen Bilderreihe in gross-
7- artiger Weise vorzuführen. Die Behandlung ist durchweg
leicht und beinahe skizzenhaft, die Atlffassung der Menschen-
gestalt ziemlich conventionell und auf das Lange und Magere ge-
richtet; von genauerer Durchbildung ist überhaupt keine Rede.
Dagegen zeugt, wie in so manchen Arbeiten dieser Periode,
das feine Oval der Köpfe, der Ausdruck in den Geberden,
und ganz besonders die Gesammttimrisse der Körper von
lebendigem Sinn für Schönheit und Anmuth. Die schwebende
Haltung mancher Gestalten, die Innigkeit der Flehenden und
Anbetenden, der freie Schwung in den Gewändern, die
leichte, hingeworfene Ausführung selbst verliehen diesen Ma-
lereien einen Reiz, welcher den Werken einer entwickeltem
Zeit nicht selten abgeht.
1. ä. 62. Einen ähnlichen, vielleicht in gewissen Einzel-
heiten mehr durchgebildeten Styl zeigt die sehr umfassende
malerische Dekoration im Chor-des D 0m es zu Köln, welche
meist um die Zeit der Einweihung desselben (1322) entstan--
den sein mag. Fast alle Flächen, die sich im Innern des
Gebäudes zu bildlichem Schmuck eigneten, sind auch dazu
benützt worden, und wenn irgend ein Gebäude einen Beweis-
giebt, wie viel Farbe und Formen auch das spätere Mittel-
alter in seinen Kirchen nicht bloss vertrug, sondern verlangte,
so ist es dieses, obschon das Meiste von diesen Malereien
nur noch in schwachen Üeberresten vorhanden und desshalb
Vieles in den letzten Jahren neu gemalt ist. Allein mit Aus-
nahme der Glasgemälde (wovon unten), welche überhaupt
nur im Einklang mit dem Gebäude selbst ihre Pracht in
vollstem Masse entwickeln konnten, hat sich die Architektur
gegen die Malerei fast als eine harte Herrin bewiesen. Weit
entfernt, ihr eine bedeutendere Wandfläche etwa absichtlich
zu schaffen, hat sie selbst die wenigen Flächen, welche dem
architektonischen Princip unbeschadet hätten glatt bleiben
können, streng durch Stabwerk gegliedert. Die Malerei fügte
sich und erkannte ihre Aufgabe darin, zur Harmonie des