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Buch II,
Mittelalter.
Der Norden.
Gothiseher Styl.
lerische Technik jener Zeit War überdiess schon an und für
sich nicht so beschaffen, dass die Farben auf Jahrhunderte
hinaus den Einwirkungen der Luft widerstanden hätten, Wie
denn z. B. nicht selten ohne weitere Unterlage auf feuchten
Sandstein u. dgl. gemalt wurde. Wenn man hienach einen
überraschenden Eindruck fast nirgends erwarten darf, so zeigt
sich doch bei näherer Betrachtung eine Fülle von schönen
Motiven und sinnvollen Zusanmlenstellungen. Die Praxis
ist meist sehr einfach; für Formen und Umrisse begnügt
1nan sich mit dem Nothwendigen und auch in den Ifarben-
übergängen ist die grösste Sparsamkeit bemerklich, sodass
mehrere dieser Werke flüchtig colorirten Zeichnungen ähn-
lich sehen. Erst gegen Ende dieser Periode zeigt sich auch
hier eine reichere und zierlichere Behandlung, welche mehr
derjenigen der Tafelmalerei entspricht. .
;3_ Die meisten und wichtigsten Ueberreste dieser Gattung ge-
hören wiederum der Umgegend von Köln an. In der Taufka-
pelle der dortigen St. Gereonskirche sieht man an der nördlichen
WVand die grossen, halbverblichenen Gestalten der hh. Laurentius
und Stephan im Diakonengewantl, welche vielleicht noch vor der
Mitte des XIII. Jahrhunderts ausgeführt sind. Es ist die
letzte Entwickelungsstufe des romanischen Styles, aber mit
einer sehr bemerkbaren Neigung zu den charakteristischen
Typen des gothischen. Die Grösse der Linien, der Schwung
und der schöne Wurf der Gewänder zeigen, dass das starr
Ornamentistische der vorhergegangenen Epoche bereits über-
4, wunden ist. Auch die Lunette der Hauptthür jener Kirche
ist von aussen und von innen mit Malereien geschmückt
(dort Christus zwischen Heiligen, hier Christus zwischen
Engeln, die zum WVeltgericht blasen), welche noch etwas älter
sein mögen, jedoch allzusehr aufgefrischt sind, um ein sicheres
Urtheil zu gestatten. Schon entschiedener zeigt sich der go-
thische Styl in einzelnen Figuren, welche in der Crypta der-
selben Kirche, ferner in St. Ursula (an der Wand über dem
grossen westlichen Bogen), und in S. Severin (Erasmuskapelle)
zu erkennen sind. Dieselben mögen der zweiten Hälfte des
XIII. Jahrhunderts angehören, und ebenso auch eine fast