Deutschland.
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auf französischer Einwirkung beruhe, wie in der Architektur.
Im Ganzen spricht mehr dagegen als dafür, selbst wenn
Frankreich, wie oben angedeutet, die zeitliche Priorität für
sich in Anspruch nehmen dürfte. Jenen frühgothischen Sculp-
turen französischer Cathedralen hat Deutschland einzelne spät-
romanische aus dem XII. Jahrhundert oder dem Anfang des
XIII. entgegenzusetzen, wie z. B. die goldne Pforte zu
Freiberg, die Kanzel und den Altar der Kirche zu Wechsel-
burg (Königreich Sachsen), die Reliefs an den Chorschranken
der Michaelskirche zu Hildesheim, 11. a. m, Werke, deren
Styl in seiner Freiheit und Schönheit keiner gothischen Sculp-
turarbeit nachsteht, wenn er auch in seinen Aeusserlich-
keiten davon abweicht. Auch der gothische Styl tritt wenig-
stens nicht viel später auf als in der französischen Plastik,
und zeigt sich schon sehr vollendet in den Sculpturen der
Liebfrauenkirche in Trier (1227-1244) und der gleichzei-
tigen Elisabethkirche zu Marburg. Jedenfalls und ganz un-
läugbar hat eine einheimisch-deutsche, mit der französischen
parallele Entwickelung statt gefunden, sodass der französische
Einfluss, wo er überhaupt sich geltend machte, nur als se-
kundäres Element hinzutrat. Geistige Richtungen und Bil-
dungszustände die Bedingungen der Kunst Waren auf
jenem Höhepunkte des Mittelalters beiden Ländern so gemein-
sam, dass wenigstens für die Malerei das eine nicht noth-
Wendig durch das andere bestimmt worden sein muss. Die
Analogie des gothischen Baustyls, welcher allerdings aus
Frankreich kam, entscheidet hier nicht, weil in diesem Fache
die Art der Üebßrlieferllng ganz andern Gesetzen folgt. Wenn
wir uns hier mit Slchlüssen statt mit Thatsachen behelfen
müssen, so liegt der Grund darin, dass die geschriebene Kunst-
überlieferung in diesem grossen und überreichen XIII. Jahr-
hundert schweigsamer und dürftiger ist, als vielleicht in
irgend einem der vorhergehenden seit der römischen Zeit.
Wandmalereien des gothischen Styles sind zwar in 2,
Deutschland noch an vielen Orten vorhanden, aber fast ohne
Ausnahme in höchst fragmentarischer Gestalt, übermalt oder
überweisst, oft auch von Bilderstürmern zerhackt. Die ma-