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Buch II.
Mittelalter.
Der Norden.
Gothischer Styl.
maligen Kunstproduction ausmachten. In Ermangelung ander-
weitiger genügender Nachrichten über Fresken. Glasgemälde
u. s. w. aus jener Zeit sind wir jedoch auch hier bei Erör-
terung des Styles auf die Miniaturen der Plandschriften be-
3. schränkt. Ein "Leben der Einsiedler" (vom Ende des XIII.
Jahrhunderts), in der kaiserlichen Bibliothek zu Paris zeigt
freilich nur eine rohere und flüchtigere Nachahmung franzö-
sischer Arbeiten; ebenso ist in den Miniaturen des KIV. Jahr-
hunderts zwar ein entschiedener gothischer Styl zu erkennen,
aber mehr in Aeusserlichkeiten und Uebertreibungen (z. B.
4_ der Körperlänge) als im geistigen (lehaltf). Von den Glas-
gemalden werden besonders diejenigen des Domes von York
gerühmt, Welche John Thornton in der zweiten Hälfte
des XIV. Jahrhunderts fertigte.
1. ä. 60. Jn den Niederlanden dagegen zeigen sich
jetzt die Anfänge einer Kunstblüthe, welche in den folgenden
Perioden diese Gegenden zum wichtigsten Kunstlande des
Nordens erheben sollte. Dass flandrische Grafen den Thron
von Konstantinopel einnahmen, hatte jetzt für die schon sehr
entwickelte niederländische Malerei keine Bedeutung mehr;
statt byzantinische Kunstübung von den unterworfenen
Griechen anzunehmen, verpflanzten die Kreuzfahrer des
Jahres 1204 vielmehr ihren einheimischen Kunststyl nach
Griechenland und seinen Inseln, was sich wenigstens in Be-
treff der Architektur beweisen lässt. Schon waren um jene
Zeit die Tafelmaler von Maestricht gleich jenen von Köln
sprichwörtlich geworden, und man hat nicht mit Unrecht
darauf aufmerksam gemacht, dass die wahrscheinliche Vater-
ß) Waagen a. a. O. I, S. 140. Mehr durch den Inhalt als durch
den (ziemlich plumpen gothischen) Styl ausgezeichnet erscheinen die
Miniaturen einer vaticanischen Handschrift der 'l'ragödien des Fencca,
welche um 1300 von einem englischen Dominicaner, Nicolaus Treveth,
verfertigt wurden Das bei D'Agineourt (hIalerei, Taf. 72) mitgetheilte
Specimen giebt eine ungefähre Idee von der Anordnung damaliger
Bühnen: die Mitte eines Halbkreises nimmt der gekrönte Dichter in
seinem Souffienrkasten ein; links die handelnden Personen, rechts der
Chor, dem Halbrund entlang die Zuschauer. Die Initialen der Hand-
schrift bestehen zum Theil aus burlesken Figuren.