Teppiche
und
Stickereien.
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40 Jahre später gab es in Poitiers eine Teppichfabrik, welche
selbst aus Italien Bestellungen erhielt. Von Ornamenten und
Thiertiguren war man schon im XI. Jahrhundert zu heiligen
Geschichten und zu den Gestalten der Kaiser und Könige
übergegangen, so unbeholfen dergleichen auch in der Wirkerei
ausfallen musste. Nicht selten mochten solche gewirkte Tücher
noch durch eingestickte Verzierungen ihre Vollendung em-
pfangen. Auch kommen Andeutungen vor, nach welchen die 3,.
Figuren bloss mit Farben auf das Tuch gemalt, ja mit Mo-
deln aufgedruckt wurden, wie diess z. B. mit dem im
Jahre 1031 verfertigten blauseidenen Messgewande des heil.
Stephan von Ungarn (jetzt in der geistlichen Schatzkammer
zu Wien) der Fall sein soll Alle berühmten Prachtstücke 4t
aber bestanden in reiner Stickerei, oft von fürstlichen Hän-
den. In der zweitenlHälfte des X. Jahrhunderts schenkte
jene schon erwähnte Hedwig von Schwaben an das ihr be-
freundete Kloster St. Gallen eine Alba, worauf in Gold ge-
stickt die Vermählung der Philologie mit Mercur zu sehen
war, nach dem Satiricon des Marcianus Capella, Welcher als
der letzte römische Belletrist in den Bibliotheken des Mittel-
alters nicht zu fehlen pflegte. Kaiser Otto III. trug einen 5.
Mantel mit Scenen aus der Offenbarung Johannis, welchen
wahrscheinlich die Aebtissin Mathilde von Quedlinburg ge-
stickt hatte. Adelheid, die Gemahlin Hugo Oapets, stickte
für S. Denis ein Messgewand, welches den Erdkreis (orbis
terrarum) darstellte, und für S. Martin in Tours ein anderes,
das auf der Rückenseite Christum über den Oherubim und
Seraphim thronend, und auf der Brustseite das Lamm Gottes
zwischen den Zeichen der vier Evangelisten enthielt "Ü. Im
XI. Jahrhundert besassen die Gemahlin und die Schwester
Kaiser Heinrichs II., Kunigunde und Gisela, eine bedeutende
a) S. Fiorillo a. a. O. I, 239 und D'Agincourt, Malerei, Tag
168. Nach Emeric-David a. a. O. S. 1043 wäre der Tücherdruck,
welcher hier 400 Jahre vor der Erfindung des Holzschnittes auftritt,
durch syrische Teppiche nach dem Abendlande gekommen.
ü") Vgl. Helgaldi vita Roberti regis bei Duchesne IV. p. 68