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Buch II.
Mittelalter.
Der Norden.
Romanische-r Styl.
einzige Beispiel jener zahllosen vlaquearia depicta", Wovon die
Autoren oft mit so grosser Begeisterung sprechen. Wir haben
dieses YVerk, welches die höchste Aufmerksamkeit verdient, vor
längerer Zeit bei noch ungenügenden Vorkenntnissen gesehen
und verlangen desshalb keinen besondern Glauben, wenn wir es
in die letzten Zeiten des XII. Jahrhunderts setzen; jünger als
die Hohenstzitifenzeit ist es keinenfalls. Zwischen zwei reich
eingefassten Doppelreihen von Patriarchen, Propheten und
Heiligen sieht man in acht. grössern Feldern hintereinander
(vom Chor beginnend) Adam und Eva, Abraham, David und
drei andere Könige von Israel (vielleicht Bildnisse deutscher
Kaiser), endlich die Mutter Gottes und einen wie es scheint
erneuerten Moses. Der Styl ist ernst und von architektoni-
scher Strenge, die Ornamente romaniseh, die Zusammenstel-
lung der Farben von grosser Schönheit, das Ganze der ge-
nauesten Llittheilung werth f), auch wenn es in späterer Zeit
übermalt sein sollte.
Die ältesten Werke westphälischer Malerei, Wand-
gemälde im Petroclus-Blünster und der Nicolai-Iizipelle zu
Socst und in der Kirche zu Methler bei Dortmund, die
im Jahre 1651 durch W. Lübke entdeckt Wurden, haben
eine bedeutsame Lücke der deutschen Kunstgeschichte ausge-
füllt und lassen spätere Schöpfungen, wie die des „Liesborner
Meisters", nicht mehr als unvermittelt dastehen. Die Figuren
hinter dem Chor in der Hauptnische der erstgenannten Kirche
dürften dem Ende des XI. oder Anfang des XII. Jahrhun-
derts, die übrigen angeführten "Werke dagegen dem Aus-
gange des XII. und der ersten Hälfte des XIII. Jahrhun-
derts, also der gliinzendsten Entfaltung des romanischen Styles
gehören. Es sind (eine Verkündigung ausgenommen) einzelne
Gestalten Christi, der Apostel, heiliger Bischöfe "und Mär-
k) Die es denn auch in neuester Zeit dureh Copie (v. L. Kraatz)
und Fai-bendruek (durch Storch und Kramer in Berlin) gefunden hat.
Hier nur noch die Bemerkung, dass die Hauptpartie der oben beschrie-
benen Darstellung unverkennbar einen Stammbaum Christi (ndie Wur-
zel Jesse") bildet. v. B1.