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Buch II.
Mittelalter.
Der Norden.
Romanischer Styl.
der Farbenbehandlung herrscht in den Arbeiten dieses Styles
(was wenigstens die Miniaturen der Manuscripte betrifft) oft
dieselbe Sauberkeit und Heiterkeit der Farben, wenn auch
nicht dieselbe feine Ausführung, wie in den oben erwähnten
Bamberger Handschriften, und diess ist wahrscheinlich eben
so, wie bei jenen, byzantinischern Einflüsse oder einer Nach-
12. Wirkung desselben, zuzuschreiben. Doch mit grossem Un-
recht pflegt man den ganzen Kunststyl dieser Periode ins-
gemein als einen byzantinischen zu bezeichnen; er war
vielmehr in dem eigenthümlichen Entwieklungsgange der
deutschen Kunst mit N othwendigkeit bedingt, und seine Aehn-
lichkeit mit dem wirklich byzantinischen ist mit Ausnahme
des eben Gesagten vielmehr ein zufälliges Zusammentreffen
als eine innere Verwandtschaft: beide haben eine gewisse
äusserliche Strenge der Anordnung gemein, nur dass diese
in Byzanz ein Merkmal der Abgestorbenheit, im Abendlande
aber die Gesetzmässigkeit eines neu beginnenden Kunsttrie-
bes ist. Von einer absichtlichen, willkürlichen Nachahmung
der byzantinischen Kunst ist nicht die Rede. Das Einzelne,
welches hier beweisend ist, zeigt durchgängig die wesentlich-
sten Unterschiede. WVährend der byzantinische Faltenwurf
zur sinnlos-regelmässigen Strichelei wird, sehen wir hier eine
zwar ebenfalls überzierlich gefaltete, aber viel mehr dieKör-
perform und Bewegung ausdrückende, oft sehr edle Gewan-
dung; statt des byzantinischen Greisenthums sind die Köpfe
fast sämmtlich jugendlich aufgefasst; statt der Regungslosig-
keit byzantiniseher Gestalten sehen wir Bewegung, so unge-
schickt sie hie und da sein mag, und die Anfänge echten
Lebens. Was von aussen hinzukam, beschränkt sich sonach
1.3. wesentlich auf die Ausführung. Am besten bezeichnen wir
diesen Styl als den romanischen, wie wir die Tochter-
sprachen des Lateinischen nach Vollendung ihrer Umbildung
romanische und den Baustyl des XI. und XII. Jahrhunderts
als einen aus der Antike neu gebildeten einen romanischen
nennen. Auch in der Malerei liegen hier die Formen des
classischen Alterthums zu Grunde, sind aber von einem neuen
Volksgeist umgestaltet und neu benützt.