Miniaturen.
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selbst die so auffallend zierliche Farbenbehandlung ist nicht
einmal mit der echt byzantinischen völlig identisch und lässt
sich eher nur als eine freie Aneignung derselben auffassen,
so dass man selbst hier höchstens von einem byzantisiren-
den, nie aber von einem ins nördliche Abendland überge-
tragenen byzantinischen Styl sprechen kann.
Zu näherem Verständniss mögen hier einige Notizen 3.
über die Bilder der einen von den betreffenden Handschrif-
ten, welche eine Sammlung der Evangelien enthaltää), folgen.
Nach den Canonesi, womit insgemein die Handschriften die-
ser Art beginnen und deren Spalten, wie gewöhnlich, mit
Säulen und BOgGII umfasst sind, wird der Gesammtinhalt des
Buches durch eine eigenthümliche allegorische Darstellung
eröffnet: Christus in der Mitte, in einem elliptisch geschlos-
senen Regenbogen, auf und vor einem Baume stehend, des-
sen einen Ast er mit der Linken fasst, wäihrend er eine Ku-
gel (das Symbol der Herrschaft) in der Rechten trägt. Der
Baum ist mit lailzartigen Blättergruppen und mit kleinen
rothen Früchten geschmückt; er stellt ohne Zweifel den Baum
,der Erkenntniss dar, aus dessen Holz, nach alter Legende,
das Kreuz Christi gezimmert Ward, und darauf sich hier die
Zusammenstellung bezieht. In den vier runden Ecken des
Regenbogens befinden sich zu Christi Rechten Sol, ein
rother Kopf mit Strahlen, zu seiner Linken Luna, blau mit
der Mondsichel; oben ein alter hellblaugrauer Kopf, Uranus;
unten ein braunes Weib, Tellus, mit nacktem Oberleib, den
Stamm des Baumes haltend. In den vier äussern Ecken des
Blattes sieht man die vier Symbole der Evangelisten, von
grünlichen Sirenen-artigen Figuren getragen. Letztere deu-
ten, wie sich aus der erklärenden Schrift der Nebenseite er-
giebt, auf die vier Paradiesesströme, von denen die Flüsse
der Erde ilir Wasser erhalten, und die zugleich, nach alter
Symbolik, die vier Evangelisten bezeichnen. Der Regenbogen
mit den vier Rundungen ist von Goldstreifen eingefasst; der
Grund innerhalb desselben ist olivengrün mit bläulich grü-
Bibliothek :
Münchner
Museum,
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