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Buch II.
Mittelalter. Der Norden.
Byzant.
Einfluss.
finden; die Gestalten sind auf eine unglückselige Weise ver-
zwickt und vcrkrüppelt; es herrscht in der Führung der
Linien eine Willkür, in der Formenbiltlting eine Schwülstig-
keit, welche in hohem Grade auffallen. Auch die Farben-
behandlung ist anders; das saftig Pastose derselben ver-
schvtiindet und es tritt statt dessen jener trocknere Auftrag,
wie er fortan in der eigentlichen Biliniztturmalerei bleibt, an
dessen Stelle; aber es zeigt sich in diesem zugleich die
feinste, sauberste Ausführung, die sorgliiltigste Beendung, die
ebenfalls mit der Unsicherheit des Pinsels in den karolingi-
sehen Arbeiten aufs Entschiedenste, und diessmal zum Vor-
theil der in Rede stehenden Werke, contrastirt. Ueber-
raschender noch, als diese Zierlichkeit in der Behandlung, ist
das eigcnthümliche, ich möchte sagen: phantasmzigorische
Spiel in den Farben, welches sich vornehmlich in den Grün-
den dieser Bilder zeigt; hier wechseln, hinter den dargestell-
ten Figuren, Streifen zarter, gebrochener Farben mit einander
ab, Welche in schönem harmonischem Verhiiltniss zu einander
stehen und auf das Auge einen ganz eigenen Reiz hervor-
bringen. Neben diesen technischen hlängeln und Vorzügen
ist endlich noch anzuführen, dass im Einzelnen zugleich man-
nigfach geistreiche Gedanken, dem kindlichen Stande der
Kunst gemäss in symbolischer Verkörperung dass sogar
trotz der. oben erwähnten mangelhaften Zeichnung, bedeut-
same Intentionen in Stellung und Geberde sichtbar werden,
Das Fremdartige dieses Styles erweckt die Vorstellung
eines ausländischen Einflusses, der sich bei näherer Betrach-
tung allerdings als ein byzantinischer erweist. Nur würde
man denselben vergebens in der Auffassung, in der Compo-
sition und in der Bildung des Einzelnen suchen, denn diess
Alles lässt sich noch aus dem bisherigen nordischen Styl ab-
leiten. Das Eigenthümliehe dieser Werke liegt vielmehr
darin, dass hier mit einer zu einem sehr hohen Grade ge-
steigerten Verwilderung der Form eine von aussen kommende
schematische Behandlungsweise und eine äusserst sorgfältige
Technik zusammentreffen, welche die Willkür und Rchheit
der Darstellung erst recht zur Erscheinung bringen. Und