154 Buch II. Mittelalter. Der Norden. Nachwirkg. d. Antike. 41. 42.
bei und nach der Auffindung des heil. Kreuzes und dessen
Bewährung darstellen. Es sind sehr rohe, mit unsicherer
Hand geführte Federzeichnungen, mit wenigen Irarben, die
überdies gelitten haben, stellenweis roh übermalt; doch zeigt
sich in ihnen noch ein gewisser Sinn für Form, sowie eine
Andeutung von Würde im Faltenwurf, und zwar noch auf
ähnliche antikisirende Weise, wie etwa in der vatikanischen
7. Rolle mit den Geschichten des Josua. Bei der Leichtig-
keit der Versendung von Büchern lässt es sich leicht erklären,
dass vereinzelte Kunsteinfiüsse bisweilen im fernen Auslande
wieder auftauchen. So besitzt z. B. die Dombibliothek in
Trier aus dem Vermächtniss des Grafen von Kesselstadt ein
angelsächsisches Evangelienbuch (N0. l), dessen Miniaturen
auf die Kenntniss fränkischer Vorbilder hinweisen. Ränder
und Initialen zeigen noch ganz das feine und künstliche Ge-
riemsel, die Thiertiguren die abenteuerliche Willkür, wo-
durch die irische Kunst sich kenntlich macht; dagegen ver-
rathen die Figuren eine karolingische Grundlage, nur dass
die styllose, Wulstige Gewandung und das gänzlich missver-
standene Nackte eine weitere Barbarisirung des fränkischen
Styles andeuten. Letzterer hat seinerseits wiederum angel-
sächsische Einwirkungen erlitten
1. ä. 42. In den Zeiten der Enkel Carls werden die Denk-
mäler dieser Art häufiger und prachtvoller, doch tritt in der
Behandlung eine merkliche Vergröberung ein. Die Formen
werden plumper, die nackten Thcile höchst roltge doch nicht
leblos, die Gewänder willkürlich bauschig oder Hatternd
das gerade Gegentheil von dem damaligen Extrem der byzan-
tinischen Kunst. Die Goldschrafürungen hören auf und die
Anwendung des Goldes überhaupt wird seltener, vlährend sie
in Byzanz immer mehr überhand nimmt. Durchgängig spricht
sich, wir möchten sagen, eine Verwilderung auf eigene Hand
aus, welche hinlänglich beweist, dass die von Carl dem
Grossen ausgestreute Saat in seinem Volke und seiner Zeit
beschreibt
ü) Fränkische Miniaturen unter angelsächsischem Eiuüuss
'Wa.agen a. a. O. III, S. 244 u. 238.