Miniaturen
der
spätem Carolingerzeit.
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Carls Schwester Ada gestiftetes Evangeliarium, mit den Ab-
bildungen der Evangelisten. Die Gewandung ist z. B. im
Lucas noch grossartig antik, dagegen entsprechen die Köpfe
in der Behandlung dem Vorigen, die Extremitäten sind gross,
Finger und Zehen gesehweilt. Die Ausführung ist frei und
breit, aber sauber und bestimmt, die Farben mehr harmonisch
im antiken Sinne als man es sonst in fränkischen Miniaturen
zu finden gewohnt ist. Ein sehr bestimmter Nachklang antik--
idealer Richtung und zugleich ein charakteristischer Unter-l
schied vom byzantinischen Styl offenbart sich in der Jugend-
lichkeit der Gestalten, welche wie in der Handschrilt von
St. Medard sämmtlich bartlos gebildet sind; ein Zug, welcher
auch in der späitern antiken Kunst, selbst bei Altvätern und
Propheten wiederkehrt, während die byzantinischen Heiligen
bekanntlich immer greisenhafter werden. Eine schöne Hand- 5,
schritt der Vnlgata, in Carls Auftrag von Alcuin besorgt, ehe-
mals dem Kloster Bellelay im Jura angehörend, ist vor einigen
Jahren nach England gegangen. Sie enthält, wenn wir nicht
irren, 'vier grosse alttestamentliche und apokalyptische Dar-
stellungen, von welchen besonders die erstern (u. a. die Ge-
schichte des Moses, dessen Kopf utahrseheinlich Carls Bild-
niss ist) sich noch durch unverkennbar antike Motive aus-
zeichnen. Es kann nicht befremden, dass die im Innern s,
von Deutschland, fern vom Hofe und seinem Luxus ausge-
führten Arbeiten in der Ausführung dürftiger sind. Dahin
gehört jenn: Pergamenthandschrift des bairischen Klosters
Wessobruiin vom Jahre 814 oder 815i), welche u. a. das"
berühmte WVessobrtmner Gebet, eins der ältesten Ueberbleibsel
deutscher Poesie, enthält und sich gegenwärtig in der Hof-
bibliothek zu München beündet. In dem vordern Theile
dieser Handschrift ist, zur Erklärung des Textes, eine Reihe
von Bildern enthalten, welche die verschiedenen Begebenheiten
a) Ueber diese u. a. deutsche Miniaturen vgl. in Kugler' 3 "M11.
seum, Blätter für bildende Kunst", Jahrg 18154, N0. ll-liz, 2;, 22
einen Aufsatz des Herausgebers: "Studien in deutschen Bibliotheken."
Ueber die betreffende Handschrift s. N0. 13, S. 99, 1.