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Die
geschichtliche
Ueberliefemng.
älter-n, minder entwickelten Werke aufrecht gehalten hat.
Der Unterschied liegt tief in den Charakteren der betreffen-
den Völker begründet. Wie dem Südländer überhaupt die
schön in sich abgeschlossene Erscheinung des Individuums
eigen ist, so musste auch in der Kunst das Subjekt sich von
frühe an geltend machen; das Kunstwerk war wesentliches
Eigenthurn des einzelnen Künstlers, der gerne seinen Namen
darauf anbraehte, und so entstand eine Künstlergeschichte,
welche in manchen Beziehungen die Kunstgeschichte ersetzt.
Ganz anders diesseits der Alpen. Hier neigte sich das Le-
ben der Völker überhaupt mehr zu grossen allgemeinen In-
stitutionen hin als zur Geltendmachung des Individuums, und
in der Kunst herrschte die Idee der Kirche ganz ausschliess-
lieh. Die hlalerei war Anfangs" nur in geistlichen Händen
und da hätte es, sobald nur der kirchliche Zweck erfüllt war,
vollends unnütz geschienen, mit der Persönlichkeit hervorzu-
treten; auch würden wir von den ältesten Malern gar nichts
wissen, wenn nicht hie und da ein Mitgeistlicher aus persön-
licher Anhänglichkeit ihr Andenken, wenigstens als Kloster-
überlieferung, gerettet hätte. Auch später, als die Kunst
mehr und mehr in weltliche Hände überging, finden wir, statt
einer auch nur sagenhaften Künstlergeschichte, höchstens Rech-
nungen oder Quittungen über meist nicht mehr vorhandene
Werke, und auch diess nur selten, da bis jetzt die archiva-
lische Forschung für kunsthistorische Zwecke nur ausnahms-
weise mit Nachdruck betrieben wird. Ueberdiess lassen sich
über Persönlich-
aus innern Gründen nur beschränkte Resultate
keiten und Schulverbindungen hoffen. Offenbar sollte und
wollte der Maler irn XIII. und XIV. Jahrhundert noch nichts
anderes sein als der Träger und Verwalter einer allgemein
gültigen Richtung; was er von persönlicher Intention hinzu-
that, geschah zu Gottes Ehre, für die Sache; auch durfte
sich der Einzelne weit weniger denn in neuern Zeiten als
Schöpfer und Erfinder betrachten, da ihm ein heiliger Ge-
brauch die Gegenstände und selbst ihre Anordnung und Com-
position verschrieb. So bleibt uns vor der Hand nichts
übrig, als die vorhandenen Werke nach ihrer innern Ver-