Volltext: Franz Kugler's Handbuch der Geschichte der Malerei seit Constantin dem Großen (Bd. 1)

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Die Kunst des Mittelalters 
welche in den einzelnen Staaten des Abendlandes das gei- 
stige Leben aufrecht gehalten, sie zu einem gemeinsamen 
Ganzen verbunden, durchgehende Interessen geschaffen hatte; 
an ihr hatte nicht minder die Kunst fortwährend ihren wich- 
tigsten Anhalt gehabt. In ihrem Dienste geht nun auch die 
neue Kunst des Mittelalters wesentlich auf; die Darstellung 
kirchlicher Ideen ist beinahe ihr einziges Ziel. 
Dieses Streben fand seinen höchsten Ausdruck bekannt- 
lich in der Architektur des XIII. Jahrhunderts; (lagegen wer- 
den wir finden, dass die Malerei eine Stufe unterhalb der 
Vollendung zurückblieb, so wunderbar auch einzelne ihrer 
Schöpfungen uns ergreifen mögen. Sie hat die freie, um ihrer 
selbst Willen vorhandene Schönheit, welche eine sinnliche Voll- 
endung voraussetzt, bis zum Ablauf des XIV. Jahrhunderts 
nicht erreicht, und konnte es nicht, so lange sie fast aus- 
schliesslich im Dienste der Kirche stand. Für den religiösen 
Zweck genügte auch die unentwickelte Form, sobald sie die 
höhere Idee ausdrückte; die blosse Andeutung konnte die 
Stelle einer sinnlich wahren Ausführung vertreten, besonders 
wo sie mit so hoher Schönheit im Einzelnen verbunden war 
wie in manchen Werken des spätern Mittelalters. Erst wäh- 
rend des XV. Jahrhunderts, im Zusammenhang mit andern 
grossen Bewegungen auf dem Gebiete des Geistes wird einer- 
seits die treue Nachahmung der Natur, andererseits die freie 
Hervorbringnng des Schönen der Zweck der Kunst, und nun 
erst konnten auch in der kirchlichen Malerei die höchsten 
und 
vollendetsten 
Meisterwerke 
entstehen.
	        
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