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Buch I.
Christl. Alterthum.
Byzantinischer Styl.
auch das Einzelne jedesmal frei und neu; Köpfe, Bewegun-
gen und Gewänder gehören ihm selbst an und sind Zeug-
nisse seiner künstlerischen Persönlichkeit, nicht eines ausser
ihm liegenden Herkommens.
7, Dass dieses "Herkommen" bei den Byzantinern sich end-
lieh in schriftlicher Aufzeichnung so viel als möglich für alle
Zeiten Iixirte, kann uns nach dem oben Gesagten nicht be-
fremden. In der That fand Didron in den Händen der Maler
des „heiligen Berges" eine Handschrift in mehrfachen Exem-
plaren vor, welche die Technik genau schildert, die einzelnen
Figuren und die Art ihrer Zusammenstellung, sowie auch
ihre Vertheilung in den Kirchenräumen aufzählt und be-
schreibt, und alle Devisen und Insehriften angiebt. Es ist
diess eine, Wahrscheinlich im XV. Jahrhundert auf ältern
Grundlagen abgefasste, „Erläuterung der Malereiwf) (äginyvela
15g Ccuygaqzzzfjg), ohne Welche die athonitischen .Mönche nach
ihrem eigenen Geständniss nicht weiter malen könnten. Der
Verfasser oder Compilator ist der Mönch Dionysios im
Kloster Furna bei Agrapha; ihn unterstützte sein "Schüler
Cyrill von Chio. Der Geist, aus welchem ihr Werk her-
vorgegangen, spricht sich genugsam darin aus, dass dasselbe
mit einer Anweisung beginnt „wie man Durchzeichnungen
machen soll". Dann folgt die Behandlung der Wände, die
Beschaffenheit der Materialien, die Farbenbereitung, die Art
des Auftrages. Der zweite Theil, unbedenklich der wich-
tigste, giebt die Recepte zur Darstellung aller möglichen Ge-
stalten und Scenen, wovon viele an unsern abendländischen
Denkmälern entweder nie vorkamen (weil sie der griechischen
4') Von Didron herausgegeben unter dem Titel: Manuel d'icono-
-graphie chretienne grecque et latine, avec une introduction et des notes
par M. Didron etc., traduit du manuscrit byzantin: le guide de 1a
peinture, par le Dr. Paul Durand, Paris, Impr. royale, 1845, gr. 8.
Eine Abschrift des griechischen Originales befindet sich in München.
Ueber die einzelnen Kirchen Griechenlands und ihre Fresken giebt
Didron in den verschiedenen Heften seiner Annales archeologiques
(Paris seit 1844, in 4.) einigen Aufschluss", ohne jedoch den Styl hin-
länglich zu schildern.