Miniaturen.
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schwebt über ihm die "Milde"; beim Kampf mit Goliath sieht
man hinter diesem die Hiehende "Prahlerei", hinter David die
"Kraft"; als König umgeben ihn die "Weisheit" und die
"Weissagung", als Büsser steht er unterhalb der "Reue".
Nicht minder sind die "Nacht", die "Wüste", der "Abgrund",
das „rotl1e Meer", der "Berg Sinai", u. a. m. durch antik ge-
fasste männliche und weibliche Gestalten symbolisirt ein
halbheidnischer Cultus der Natur und der allgemeinen Ideen,
dessen das X. Jahrhundert. von sich aus gewiss nicht mehr
fähig War. Ebenso dürfen wir bei den im IX. Jahrhundert 4.
roh ausgeführten aber kräftig antik gedachten Miniaturen der
"christlichen Topographie" des Cosmas (im Vatican) ein
weit. tilteres Vorbild voraussetzen, wenn nicht nur der "J or-
dan" als Mann mit der Urne, sondern auch der "Tanz" als
aufgeschürztes Mädchen mit hochgeschwungenem Schleier
auftritt. Dagegen ist das sog. vaticanische Menologium 5.
(für Kaiser Basilius den Bulgarentödter, 989_1025, ausge-
führt) mit seinen 430 prachtvollen Miniaturen auf Goldgrund
wesentlich eine Schöpfung dieser Zeit, und sicher eine der
besten. Acht Maler, welche sich jedesmal mit Namen nennen,
haben die einzelnen Tage dieses kostbarsten aller Kalender
(der noch dazu nur die Hälfte des Jahres umfasst) mit den
bezüglichen Geschichten aus dem Leben Christi, der Heiligen
und der Kirche (z. B. in Gestalt von Synoden) xicrsehenfk)
In den biblischen Scenen schauen öfter ältere Motive durch Hi),
dagegen sind die Martyrien der Heiligen wirklich im X.
Jahrhundert erfunden und machen demselben abgesehen
von dem oft scheusslichen Inhalt alle Ehre, insofern bei
grosserLeblosigkeit des Einzelnen wenigstens die Composition
im Durchschnitt wohl verstanden, hie und da wahrhaft lebendig
K) Die Durchzeichnungen derselben bei D'Agincourt, Taf. 31
u. f, sind im Detail durchweg etwas modernisirt und nicht ganz
zuverlässig.
M?) Merkwürdiger Weise findet man einzelne Darstellungen des
Menologiums in den Mosaiken des Domes von Monreale (s. oben)
wiederholt, wahrscheinlich weil sie alte, zum Gemeingut der byzantini-
schen Kunst gewordene Composition enthalten.