Mosaiken von Venedig.
San Marco.
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die Tochter Ludwigs des Frommen ausführen liess; es ent-
hält (sehr auffallend für diese Zeit) Christus am Kreuz,
Maria, S. Georg, das Bild der Gisela und verschiedene alle-
gorische Figuren. Auch die Cathedrale von Capua besitzt.
noch aus jener Zeit das von Bischof Hugo gestiftete Mosaik.
Dagegen sind die „sel1r schönen Figuren", womit damals die
Aebte Potto und Gisulf sämmtliche Wände der Kirche von
Monte Cassino schmückten, verloren gegangen.
Vom Ende des IX. Jahrhunderts an scheint die Mosaik- 12.
arbeit fast in ganz Italien aufgehört zu haben. Siebzig Jahre
lang drehten sich alle politischen Verhältnisse des unglück-
seligen Landes in einem Strudel, welcher manchen Augen-
blicken der Völkerwanderung nicht viel nachgeben mochte;
Rom insbesondere war der Spielball der scheusslichsten Fac-
tionen geworden. Mit Gewalt schafften die Ottonen Ruhe,
aber die tiefe WVunde, welche allen geistigen Bestrebungen
und somit auch der Kunst geschlagen war, heilte nicht so-
bald wieder. Wo sich in der Folge ein neues Kunstleben
regte, da musste wieder an Byzanz angeknüpft werden; als
z. B. der Abt Desiderius von ltlonte Cassino (später Papst.
unter dem Namen Victor III.) im Jahre 1066 die Kirche
seines Klosters neu baute, musste er in Konstantinopel M0-
saicisten miethen, welche dann mehrere Klosterzöglinge in
ihrer Kunst unterrichtetenfi)
ä. 30. Auch diessmal war die unter byzantinischer Schein- 1.
hoheit heranwachsende Republik der venetischen Inseln
vor dem allgemeinen Unheil bewahrt geblieben. Sie gedieh
und vermehrte sich als Stapelplatz zwischen dem oströmischen
und dem neuen Weströmischen Reiche, und selbst nachdem
die politische Verbindung mit Byzanz faktisch aufgehört, ver-
mittelte der höchst lebhaft gewordene Handel einen bestän-
digen Zusammenhang. In Betreff der Kunst aber ist Ve-
ß) Wir nennen hier noch das jetzt in der Restauration begriffene
Mosaik der Chornische von San Ambrogio zu Mailand (Christus.zwi-
sehen zwei Erzengeln und den hh. Gervasius und Protasius), welches
832 von einem Mönche Gaudentius ausgeführt sein soll. Die Ausfüh-
rung scheint sorgfältiger, die Gestalten lebendiger als in den gleich-
zeitigen Mosaiken Roms.