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Buch I.
Christl.
Alferthum.
Byzantinischer Styl.
den Seitenendlich enthalten zwei grössere Bilder die Opfer
Abels, Melchisedeks und Abrahams und sehr wenig ent-
sprechend die Verleihung der Privilegien an die Kirche
von Ravenna. In all diesen Darstellungen ist die Zeichnung
ungleich geringer als in den WVerken des VI. Jahrhunderts,
die Ausführung aber sorgfältig mit Angabe mehrerer Mittel-
töne, nur die vier Bischöfe ausgenommen, welche schon roh
und timrissartig gehalten sind und sich bloss durch kräftigere,
minder conventionelle Köpfe auszeichnen. Den Namen „by-
zantinisch" (lürften diese Mosaiken, obwohl in der Nähe der
Exarchenresidenz ausgeführt, doch weniger verdienen als die
eben besprochenen römischen, insofern die Gestalten von
jener starren Erstorbenheit der Heiligenfiguren von San Ve-
nanzio u. a. nur erst einen Anflug haben; auch sind ihre
Gewänder trotz der Sinnlosigkeit mancher Motive schöner
und würdiger gefaltet. Dagegen wird man ein starkes Sin-
ken des N atursinns gewahr, wenn man die hochbeinigen, häss-
lichen Schafe mit jenen von SS. Cosma e Damiano in Rom,
oder die ganz willkürlich gestalteten Bäunie mit dem Baum
vor Abrahams Hütte in S. Vitale vergleicht. Gleichwohl mag
sich hier der byzantinische Einfluss, streng genommen, auf
die Anordnung beschränken, insofern ein blosser Heiliger an
die bisher Christo vorbehaltene Stelle (in der Mitte des Gan-
zen) tritt, während die Gegenwart Christi nur durch das
Kreuz angedeutet wird, wie in S. Stefano rotondo. Noch
verdienen die zwei Seitenbilder der Unterwand genauere Be-
trachtung, besonders die drei alttestamentlichen Opfer, welche
hier noch sinnreich zu einer recht lebendigen Composition
verschmolzen und in der Ausführung das Beste sind. f) Unter
einem geöffneten Vorhang hinter einem verhängten Tische
sitzt der greise, weissgelockte Melchisedek mit Diadem und
s) Wenn man erwägt, wie schon in der spätrömischen Zeit das
Copiren an der Tagesordnung war," so wird man vielleicht Bedenken
tragen, die Erfindung dieses Werkes der Zeit von 671 bis 677 zuzu-
schreiben. Die Figur des Abel wenigstens ist eine direkte Nachahmung
derjenigen in S. Vitale. Wie viele Kirchen aber sind, sammt ihren
Mosaiken, nur in Ravenna untergegangen (der Dom, die Hauptkirche