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Buch I.
Christl. Alterthum.
Byzantinis eher Styl.
Kenntniss ausgesucht und behandelt. Ueber die mit dem
Pinsel gezeichneten Umrisse wurde meist eine lebhafte, un-
gebrochene Farbe aufgetragen, und dann Licht, Schatten und
Gefält mit (lunklern und hellem Farben, später meist in Ge-
stalt von zarten Schraffimngen darüber gesetzt. Es be-
zeichnet den ganz unplastischen Sinn jener Zeit, dass die
Modellirnng so ohne breitangelegte Schatten durch blosses
Stricheln hervorgebracht wurde, allein die Wirkung ist immer
eine sehr zierliche. Eine entschiedene hlanier lässt sich am
frühsten in Behandlung des Fleischtons erkennen, welcher
orangefarben, dann dunkelziegelroth wird und am Ende
durch die bekannten grünlichen Schatten und rosenrothen
Lichter an geschminkte aber schon halbverweste Leichen er-
innert. Dann werden mit dem Zurücktreten der antiken
Muster die Farben überhaupt greller und bunter, die Umrisse
sichtbarer, und seit der Eroberung Konstantinopels durch die
Kreuzfahrer (1204), welche den WVohlstantl und Luxus der
Hauptstadt tief erschütterte, tritt vollends eine sorglose Flüch-
tigkeit der Behandlung ein. Schon lange vorher scheint über-
diess ein unglücklich gewähltes harziges Bindemittel in Ge-
brauch gekommen zu sein, welches die Farben früh ver-
2. dumpfte. Die Hintergründe, die Nimben und seit dem
XI. Jahrhundert auch die aufgehöhten Lichter bestehen ins-
gemein aus Gold, welches auf eine sehr solide Weise ohne
alle Sparsamkeit aufgetragen scheint. Ja als hätte man
dessen gar nicht genug anzubringen gewusst, sind überdiess
die Gewänder kaiserlicher oder heiliger Personen grossen-
theils ganz von Goldstoff mit prachtvollen Stickereien.
Eine auf den Gegenstand selbst bezügliche Absicht, etwa
eine Andeutung himmlischer Herrlichkeit, ist dabei nicht an-
zunehmen, da sich der goldene Hintergrund gleichmässig bei
allen möglichen Scenen findet, dagegen liegt es ganz im
Wesen einer gesunkenen Kunst, die Unfähigkeit freier
Schöpfung durch ein prachtvolles Material ausgleichen zu
wolleni"). Die hagern, mürrischen Gestalten mit dem ziegel-
ü), Mit welchem ungeheuern sonstigen Luxus in Kirchen und Pal-
lästen dieser Prunk der Malerei zusammenhing, findet sich anschaulich