Die
Uomposition.
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und landschaftlicher Gegenstände überrascht, da dürfen wir _
das Verdienst laühnlich der vorhergegangenen, Epoche bei-
legen. Eine Kunst, die keine bewegte Figur mehr selbst er-
findet, sondern lieber aus zehnter Hand ein arg entstelltes
antikes Motiv borgt, eine Zeichnung, welche S0 Sehr an die
Leichenruhe der Gestalten gewöhnt ist, dass sie kein Profil
mehr wagen will, Waren zur Lösung neuer Aufgaben schlecht
gesehaifen, Wo diese verlangt wurden, wie z. B. bei den
Martyrien, welche man nicht aus altern YVerken copiren
konnte, da zeigt sich die Unfähigkeit der Gestaltung recht
deutlich. Die Ceremonienbilder, aus lauter ruhigen Figuren
bestehend, waren eine leichte Aufgabe; wenn z. B. acht
Menschen, alle in derselben fast gleichmässig wiederholten
Stellung vor einem Kaiser im Staube liegen, oder wenn bei
der Darstellung einer Synode die Patriarchen mit dem Kaiser
im Kreise sitzen, umstanden von zahlreichen Geistlichen,
während ein widerlegter Ketzer murrend am Boden liegt, so
ist. damit die Historienmalerei noch nicht gefördert. Und
selbst innerhalb der neu aufgekommenen Gegenstände zeigt
sich ein allmäliger Verfall, der sich in einer Gestalt, dem
Gekreuzigten: symbolisch ausdrückt. Die ersten bekannten
byzantinischen Darstellungen (IX. Jahrhundert) schildern ihn
mit offenen Augen und aufgerichtetem Leibe, gleichsam als
Sieger im Tode; die spätem aber lassen ihn mit geschlosse-
nen Augen zusammenbrechen; als hielten die erschlafften
Arme und Beine den Leib nicht mehr aufrecht, beugt sich
dieser jetzt nach der rechten Seite auswärts.
Üebrigens haben ältere wie neuere Scenen in dieser ver- 2-
sunkenen Kunst die Eigenschaft, sich fortwährend zu wieder-
holen. Bei näherer Betrachtung byzantinischer Arbeiten in
Masse kömmt man auf das befremdliche Ergebniss, dass nicht
bloss wie in der antiken und in der occidentalisch-mittel-
alterlichen Kunst dieselben Typen in jedesmaliger freier Ge-
Staltung neu hervorgebracht werden, sondern dass gradezu
ein Maler den andern und zwar oft sklavisch copirt hat,
und dass genau dieselben Gestalten, Stellungen, (iebefdcn
und Mienen, ganz in derselben Zusammenstellung sich z. B.
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