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Buch I.
Christl. Alterihum.
Byzantini scher Styl.
welche wir hier nach dem allbekannten, sehr passenden Gleich-
niss, mumienhaft auf weitere tausend Jahre einbalsamirt fin-
den. k) Auf dem Throne, von orientalischem Prunk und
Ceremoniell umgeben, sassen meist grausame Despoten oder
Feiglinge; bei den Hofleuten des Pallastes verdeckte die
scheinbare Demuth und Kriecherei einen Hang zu unaufhör-
lichen Ranken und blutigen Verschwörungen. Diesem" Zu-
Stande in den höchsten Kreisen entsprach der des geknechte-
ten Volkes, wenigstens in der Hauptstadt. Es ist bezeich-
nend, dass das höchste Interesse sich an die öffentlichen
Spiele knüpfte, und dass dasselbe Volk, in Welchem jegliches
politische YVollen erstorbcn war, über der Parteinahme für
diese oder jene Abtheilung der Wettrenner im Hippodrom
es noch zu einem grossen allgemeinen Aufruhr brachte. In
das sonstige Leben theilten sich Luxus nnd Sinnlichkeit des
Orients und römische Habgier. Die Wissenschaft war in ein
trockenes Sammeln hineingerathen, die literarische Produktion
todt und dem Volksleben fremd. Selbst das Christenthum,
welches eben damals unter den germanischen Völkern den
Grund zu der künftigen Einheit Europzüs legte, zeigt sich
im oströmischen Reiche nur auf widerwärtigen Abwegen;
dogmatische Streitigkeiten über das schlechthin Unbegreifliche
waren aus den geistlichen Kreisen hinausgedrungexi und ver-
wickelten nicht nur den Hof und die Regierung in die Wil-
desten Händel, sondern dienten auch dem gemeinen Volke,
dem schon in der guten Zeit die Sophistik und Disputirsueht
eine andere Natur geworden, zum Hader und Zeitvertreib;
wo sich aber positive Frömmigkeit zeigen wollte, da kam
mönchische Selbstpeinigung und grausame Unduldsamkeit
2. zum Vorschein. Das wichtigste politische Ereigniss im by-
zantinischen Dasein (nächst den Kriegen mit Persern, Sara-
eenen und Donauvölkern), nämlich der Bilderstreit knüpft
sich an diesen durch vierhundertjährigen dogmatischen Zank
grossgezogenen Fanatismus. Ursachen und Verlauf sind be-
ü) Wir verweisen hier auf die meisterhafte Charakteristik des
byzantinischen Lebens bei Schnaase (Kunstgesch. 111., S. 93 u. f).