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Buch I.
Chtistl.
Alterthurn.
Byzantinische]? Styl.
Wonnen zu haben. Für Italien dagegen trat gerade jetzt. die
Zeit der allertiefsten Erniedrigung ein. Nachdem es seine
Inildesten Herrscher, die Ostgothen, den Heeren Justinians
Preis gegeben hatte und dann unter die oströmisehe Herr-
schaft gerathen war, erfolgte der Einfall der Longobarden
und die sonderbarste Theilung des Landes, indem den Longo-
barden der mittlere Kern, die IIauptmasse zuiiel, die wich-
tigsten Küstenstriehe aber mit den grössten Städten, so wie
slimmtliche Inseln den seeherrsehentlen Byzantinern verblieben.
Jetzt erst war für diese oströmiseh gebliebenen, beständig von
den Longobarden bedrohten Gebiete die Zeit gekommen, sich
ernstlicher an das schützende Byzanz anzuschliessen; jetzt
erst mochte auch die Verarmung an Kunst und Bildung so
sehr gestiegen sein, dass man einer Einwirkung von aussen,
vom Centrum des Reiches her bedurfte, und desshalb nennen
wir denjenigen gemeinsamen Styl, welcher vom VII. Jahr-
hundert an in Rom wie in Neapel, in Apulien und Calabrien
wie in Sieilien, in Ravenna und der ljentapolislwie in dem
autblühenden Venedig, zeitweise wohl auch in Genua ge-
herrscht hat, insofern er ein von dem bisherigen, spätrömischen
verschiedener ist, mit Recht den byzantinischen. Die Er-
oberung Karls des Grossen hat später den einmal festge-
Wurzelten. Schulzusammenhang Italiens mit Constantinopel
Weder gestört noch aufgehoben; überdies blieb ihr Unteritalien
und das für alle Zukunft der Kunst so wichtige Venedig trotz
eifriger Angriffe tmzugäinglich.
Die Art der Verbreitung des byzantinischen Styles mögen
wir uns in verschiedenerWeise denken. Ohne Zweifel reisten
von der grossen Pfianzschtlle Konstantinopel aus manche
griechische Künstler nach Italien. Sodann war die Haupt-
stadt gewiss überreich an Werkstätten, welche zahllose bestellte
und unbestellte Arbeiten, von der Statue und dem Tafelbilde
bis zum Säulenkapitäl, nach den Provinzen sandten; nament-
lich dürfen für die Malerei die Klöster von Konstantinopel,
und nächst diesen diejenigen von Thessalonich und dem
heiligen Berge Athos als grosse Centralateliers betrachtet
Werden. Auch müssen manche abendländische Künstler ihre