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Geschichh
des
Span.
Geistes
Während der übrigen zwanzig Jahre des 17. Jahrhunderts war
die Hauptstadt in einem Zustande, nicht der Empörung, 0 nein,
sondern der Anarchie. Die Gesellschaft war aufgelöst und schien
wieder in ihre Elemente zu zerfallen. Um den bedeutungsvollen
Ausdruck eines Zeitgenossen zu gebrauchen, Freiheit und Beschrän-
kung waren gleich unbekannt. m) Die gewöhnliche Thatigkeit der
ausübenden Regierung war zum Stillstande gelangt. Die Polizei
von Madrid konnte ihre rückständige Besoldung nicht erlangen,
löste sich also auf und ergab sich der Rauberei. Und es schien
kein Mittel zu geben, diesem Uebel zu steuern. Der Staatsschatz
war leer und es war unmöglich, ihn wieder zu füllen. Die
Armuth des Hofes war so gross, dass es an Geld fehlte, um den
Privatdienern des Königs ihren Lohn zu geben und die täglichen,
Ausgaben seines Haushaltes zu bestreiten. 173) Im Jahre 1693
wurde die Zahlung aller Pensionen eingestellt und allen Beamten
und Ministern der Krone ein Drittel ihres Gehaltes abgezogen. m)
Art, dass ihr Gemahl es für rathsam halte, sie nach Hause zurückkehren zu lassen.
Lettres de Madame de Villars, Amsterdam 1757, p. 169. Ein Brief des Dänischen
Gesandten von 1677 beschreibt jedes Haus in Madrid als förmlich bewaffnet von oben
bis unten, „de haut en bes." Mignet, Nägociations relatives ä la Succession, IV, 638,
Paris 1842, 41:0. Todesfälle durch Hunger sollen besonders in Andalusien zahlreich
gewesen sein. Siehe Tapia, Oivilizacien Espaüola, III, 167. „En Andalucia especiul-
mente moria mucha gente de hambre, y el eonsulado de Seville enviö uns diputacion
pure representar que aquella ciudad habia quedado reducida airla cuarta parte de 1a
poblacion que habia tenido cincuenta. aüos antes." Ueber den Zustand des Volks im
Allgemeinen im Jahre 1680 vergl. Lettres de Villars, p. 145, 152, Ißl.
„Point de libertes et point de frein." Mämoires de Lozwille, I, 68.
'73) Im Jahre 1681 schreibt die Französische Gesandtin von Madrid: „Je ne vous
perle point de la misere dc ce royaume. La faim est jusques dans le palais. Jüätois
hier avee huit ou dix camaristes, et 1a Moliue, qui disoient qu'il y avoit fort longtems
qu'on ne leur donnoit plus ni pain ni viande. Aux ecuries du roi et de 1a. reine, de
mäme." Lettres de Madame la Marquise de Villars, Amsterdam 1759, 216, 217. Im
Jahre nach Karl's II. Tode: „Il n'y avoit pas de fonds pour les choses les plus ne-
eessaires, pour la cuisine, Pecurie, les velets de pied," etc. Millot, Mämoires du Duo
de Noailles, II, 26, edit. Pctitot, Paris 1828. Unter andern gewissenlosen Auskunfts-
mitteln war die Entwerthung des Geldes, so dass wir in einem Briefe von lllartin an
Dr. Fraser, datirt Madrid, 6. März 1860, vou „the fall of money to one fourth part
of its former value" hören. illisccllaazy of ihe Spalding Club, V, 187, Aberdeen,
4to, 1852.
474) king has taken awey, by u late deeree, a third purt of all wages_anrl
salaries of all officcrs and ministers without exception, and suspended for the ensuing
year, 1694, all pensions for life granted either by himself or his fathcr." Brief des
Englischen Gesandten, datirt Madrid, 18. November 1693, in Malwrfs sgwm under