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des
Geschichte
Span.
Geistes
wollen, die nur die Geschichte ihrer eigenen Demüthigung gewesen
sein würde; und so giebt es keinen ins Einzelne gehenden Bericht
über die erbärmlichen Regierungen Philipps IV. und Karls II.,
Welche zusammen einen Zeitraum von beinahe 80 Jahren um-
fassen. m) Ich habe jedoch einige Thatsachen, die sehr bezeich-
nend sind, sammeln können. Am Anfange des 17. Jahrhunderts
wurde die Bevölkerung von Madrid auf 400,000 Einwohner geschätzt,
an1' Anfange des 18. Jahrhunderts auf weniger als 200,000. '53)
m) „Declin6 pues rnuy sensiblemente 1a vasta monarquia, y callaron atonitns los
historiadores, como huyendo 1a necesidad de traer a la memoria lo que veian y apeniis
creian. Enmudeciö pues la histcria de Espaiia en los dos reynados de Felipe IV. y
Carlos II. viendo continuaba nuestra decadcncia, hasta quedar Espaüa. al nivel de los
menos poderosos Estados de Europa. Este silencio nos ha privado de sabcr no solo
las causas de nuestra decadencia, sinc tambicn de los acontecimientos civiles y militares
del siglo XVII." Ortiz, Uompendio de la Hähtoria de Espaüa, vol. VI, Prolcgo, p. I.
Dem Mangel, über den Ortiz klagt, abzuhclfen, versuchte erst 1856 Lafuonte, als er
in Madrid den 16. und l7. Band seiner Geschichte von Spanien hcrausgab, welche
die Regierungen Philipps IV. und Karfs I1. enthalten. Von diesem Werk will ich
nur mit Achtung reden; wegen der bcwuudernswürdigen Klarheit, womit die ver-
schiedenen Gegenstände geordnet sind und wegen seines schönen Stils, der uns an
die besten Tage der Kastilianischen Prosa erinnert, kann lman es unmöglich ohne
Interesse lesen. Aber ich sehe mich genöthigt auszusprechen, dass es als eine Ge-
schichte und besonders als eine, welche die Ursachen des Verfalls von Spanien auf-
suchen will,'vö1lig verfehlt ist. Zuerst hat Lafuente selbst sich von den Vorurtheileu
nicht losmacheu können, denen der Vorfall Spaniens zuzuschreiben ist. Und sodann
hat er besonders unter Philipp IV. und Karl II. nicht Fleiss genug auf die Sichtung
des Stoffs zum Studium der ökonomischen Veränderungen verwendet, denen Spanien
unterlag. Er heftet seine Blicke zu sehr auf die Oberfläche und nimmt Symptome für
Ursachen, und so entgeht ihm die wirkliche Geschichte des Spanischen Volks überall.
Da die Absicht meiner Studien mich nöthigt, die Dinge unter einem weiteren und
allgemeineren Gesichtspunkt zu betrachten als er gcthan, so kamen wir natürlich zu
sehr verschiedenen Ergebnissen; aber ich will gern Zcugniss ablegen für den grossen
Werth seines Buchs als Kunstwerk, während er damit als mit einem wissenschaft-
lichen Werke nach meiner Ansicht nichts geleistet und kein neues Licht auf die
Geschichte dieses unglücklichen, obwohl einst glänzenden Volks geworfen hat, dem
er mit seiner Beredsamkeit, seiner Gelehrsamkeit und seinem Geschmack in hohem
Grade zur Zierde gereicht.
453) Siehe DunlopC-i Mcmoirs, II, 320; und die interessanten Rechnungen in.
Uztariz, Tkeoriea y Practica de Uomercio, Madrid W57, folio, p. 35, 30. Wegen der
Unwissenheit früherer Zeiten über Statistik sind solche Schätzungen nothwendig unvoll-
kommen; aber nach der Verödung Spaniens im 17. Jahrhundert war eine ausserordentliche.
Verminderung in der Bevölkerung der Hauptstadt unvermeidlich. Und ein Zeitgenosse
Karfs 11- Sagt, 1699 habe Madrid nur 150,000 Einwohner gehabt. Münoircs de
Louville, Paris 1818, I, 72. Diese Angabe ist genommen aus „un memoire manuscrit,
eu languc espagnole, trouve dans los papiers du marquis de Louville." p. 67.