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I ntersuchun g
des
Schott.
Geistes
Krankheit, dass er in diesem Fache sicherlich ohne Nebenbuhler
dasteht. Als Physiolog steht ihm Aristoteles gleich, wenn er ihn
nicht übertriift, aber als Patholog steht er allein, wenn wir bedenken
was die Pathologie war, als er sie vorfand, und was sie war, wie
er sie zurückliessm) Nach seinem Tode hat der rasche Fortschritt
der pathologischen Anatomie und Chemie einige seiner Lehren
modifizirt und einige von ihnen über den Haufen geworfen. Dies
ist das Werk untergeordneter Männer gewesen, die aber bessere
chemische und mikroskopische Mittel in ihrer Gewalt hatten. Der
Ausdruck, dass John Hunter's Nachfolger unter ihm stehen, thut
ihren Talenten keinen Abbruch, denn er war eine von den äusserst
seltenen Erscheinungen, die nur in sehr langen Zwischenräumen
auftreten und alsdann das Gebäude des Wissens umformen. Sie
revolutioniren unsere Denkweise, sie regen den Verstand zur Em-
pörung auf, sie sind Rebellen und Demagogen der Wissenschaft.
Und obgleich die Pathologen des. 19. Jahrhunderts einen beschei-
deneren Weg genommen haben, müssen wir uns gegen ihre Ver-
dienste nicht verblenden, noch undankbar gegen ihre Leistungen
werden. Wir können uns jedoch nicht zu oft daran erinnern, dass
die grossen Männer und die einzigen Wohlthater des Menschen-
geschlechts, die es auf die Dauer sind, nicht die grossen Experi-
mentatoren, noch die grossen Beobachter, noch die sehr Belesenen,
noch die sehr Gelehrten, sondern die grossen Denker sind. Der
Gedanke ist der Schöpfer und Beleber aller menschlichen Angelegen-
heiten. Handlungen, Thatsachen und äussere Manifestationen jeder
Art triumphiren oft eine Zeitlang; aber es ist der Fortschritt in
Gedanken, welcher schliesslich den Fortschritt der Welt bestimmt.
Werden die Ideen nicht verändert, so ist jede andere Aenderung
oberflächlich und jede Verbesserung fraglich. Es ist jedoch oifen-
bar, dass bei dem gegenwärtigen Zustande unseres Wissens alle
Gedanken über die Natur sich entweder auf das Normale oder
Anormale beziehen müssen. Das heisst, sie müssen sich entweder
979) Abernethy sagt: "He appears to me as a. new character in our profession;
and, brieily to express his peculiar merit, I may call him the first anrl great physio-
nosologist, or expositor of the natura of disease." Abemethyäv Hunterian Oration,
p. 29, London 1819. "He may he regarded as the ürst who applied the great truths
of anatomical and physiological science to these most important subjects, by tracing
the proeesses which natura employs in the construction of organic chauges, in building
up new formations, and in repairing the effects of injury or disease." Hodysorfs
Eunterian Orwtion, 1855, p. 32.