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des
Untersuchung
Schott.
Geistes
vielmehr die Unreife unseres Wissens an der Einsicht in die Sym-
metrie des ganzen Systems hindert. Die Schönheit des Plans und
die Nothwendigkeit der Folge sind nicht immer zu sehen. Daher
sind wir nur zu geneigt uns einzubilden, die Kette sei gerissen,
weil wir nicht jedes Glied von ihr gewahr werden. Vor diesem
schweren Irrthum bewahrte Hunter mehr als seine Gelehrsamkeit
sein Genie. In der Ucberzeugung, alle Vorgänge in der materiellen
Welt seien mit ihren Antecedenzicn so verknüpft und verbunden,
dass sie das unausbleibliche Ergebniss von dem seien, was vorher
geschehen wäre, betrachtete er selbst die sonderbarsten und launen-
haftesten Gestalten mit einem wahrhaft wissenschaftlichen Auge,
denn sie hatten für ihn eine Bedeutung und einen nothwendigen
Zweck. Ihm waren sie weder sonderbar noch launenhaft. Sie
waren Abweichungen von dem natürlichen Verlauf, aber in seiner
Philosophie war es Grundsatz, dass die Natur selbst mitten in
ihren Abweichungen ihre Regelmässigkeit beibehältm) Oder wie
er es anderswo ausdsückt, Abweichung ist unter gewissen Um-
standen ein Theil des Naturgesetzes. m)
Solche Unregelmässigkeiten auf den Begriff zu ziehen, oder
mit anderen Worten, zu zeigen, dass sie gar keine Unregelmässig-
keiten sind, war eine Hauptlebensaufgabe für Hunter und der schönste
Theil seiner Bestimmung. Und darum war trotz seiner gewaltigen
Leistungen in der Physiologie seine Lieblingsbeschäftigung die
Pathologie. m) Hier waren die Phänomene verwiekelter und gaben
also seinem Scharfsinn mehr Spielraum. Auf diesem grossen Felde
studixte er die Abweichungen der Structur und der Function sowohl
in der Piianzen- als in der Thierwelt. z") Und bei den Abweichungen
i") "Natur-e is always uniform in her operations, und when she deviates is still
regular in her deviations." Prinozples of Surgery, in Hunterls- Werks, l, 485; siehe
auch IV, 44, 45.
975) „It eertainly may be laid down, as one of the principles or laws of nature,
to deviate under eertain eireumstanees." Huntefs Werks, IV, 278.
276) Dr. Adams, der ihn persönlich kannte, sagt, dass er„,studied physiology, more
particularly as connected with pathology." Adams" Izfe of Hzmter, p. 77.
977) Seine Princvimles of Swgery enthalten einige merkwürdige Belege seines Be-
strebens, eine Verbindung zwischen animalischen und vegetabilischer Pathologie herzu-
stellen. Siehe z. B. seine Bemerkungen über "local diseases" (Werks, I, 341); on the
iniiuenee of the seasons in produeing cliseases (I, 3-15, 346); and on the theory of in-
ßammation exhibited in an oak-leaf (I, 391). Aber selbst jetzt weiss man zu wenig
von den Krankheiten der Pflanzen, um ihr Studium in die Wissenschaft von den
Krankheiten der Thiere aufzunehmen; zu Huntefs Zeit war das Unternehmen noch