534
des Schott.
Untersuchung
Geistes
uns eine Vorstellung davon machen; wenn wir bedenken, was bis
jetzt mit Hülfsmitteln geleistet worden ist, die den unserigen weit
nachstehen. In einem Werke von grossem Ruf aus dem Jahre 1848
wird gesagt, seit der Erscheinung von Oullen's Nosologie habe
das blose Verzeichniss der Krankheiten sich fast verdoppelt, während
unsere Kenntniss von den Thatsachen der IQ-ankheit sich mehr als
verdoppelt habe. 235)
Ich habe jetzt nur noch einen Namen zu dieser glänzenden
Liste grosser Schotten aus dem 18. Jahrhundert hinzuzufügenßgli)
Aber es ist der Name eines Mannes, der wegen seines umfassenden
und originellen Geistes unmittelbar nach Adam Smith kommt und
weit über jeden anderen Gelehrten, den Schottland hervorgebracht
hat, gestellt werden muss. Ich meine natürlich John Hunter. Sein
einziger Fehler war hie und da eine Dunkelheit, nicht nur der
Sprache, sondern auch des Gedankens. Hierin und vielleicht hierin
allein hatte Adam Smith den Vorzug, denn sein Geist war so bieg-
sam und bewegte sich so frei, dass selbst die grössten Entwürfe
ihn nicht überwältigen konnten. Dagegen scheint es, dass Hunter's
Geist manchmal durch die Grösse seiner eigenen Gedanken gestört
wurde, und zweifelte, welchen Weg er einschlagen sollte. Er
schwankte und der Ausdruck seines Gedankens wurde undeutlich. 237)
935) "New, when the diseases of Cu1lcn's nosology have been almost doubled, und
the facts relating to tlxem have bcen more than deubled." Wz'llz'runs' Prineiplcs qf
Medicine, London 1848, p. 522.
236) Ich wollte eine Uebersieht des Brownschen Systems geben, das Dr. John
Brown, erst ein Schüler, dann ein Nebenbuhlcr Cullen's, gründete. Aber die wahre
Grundlage oder der Ausgangspunkt seines Systems war nicht die Pathologie, sondern
die Therapie. Seine vorschnelle Eintheilung aller Krankheiten in sthenisehe und
asthenisehe hat keinen Anspruch auf wissenschaftlichen Begriff, und ist nur eine künst-
liche Eintheilixng, um stimulirende Behandlung an die Stelle der alten schwäehenden
zu setzen. Er ging nun zwar ins entgegengesetzte Extrem; aber das ist lediglich
praktisch und geht daher diese Einleitung nichts an. Eben darum lasse ich auch Curric
aus, einen bedeutenden Therapeuten, aber einen gewöhnlichen Pathologen. Dass ein
so armes und dünnbevölkertes Land wie Schottland in so kurzer Zeit so viel ausge-
zeichnete Männer hervorgebracht, ist höchst merkwürdig.
937) Mr. Ottley (Läfe qf Hunter, p. 186) sagt: „In his writings we occasionally
ünd an obscurity in the expression of his thoughts, a want of logical accuraey in his
reasonings, and an ineorrcctness in his language, resulting from a defieient edueation."
Aber unvollkommene Erziehung wird niemand unklar machen, ebenso wenig als eine
gute 11111 klßr machen wird. Klare Gedanken, klarer Ausdruck; das ist aber eine
Naturgabe; alle Bildung kann sie nur wenig bessern. Männer ohne Bildung, ohne auch
nur den hundertsten Theil von Huntefs Geist zu besitzen, sind oft klar genug. Da-