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Untersuchung
des
Schott.
Geistes
für ausreichend gehalten, im Verlauf der Zeit aber brach sie zu-
sammen," man verlangte mehr Beweise, und seit der Mitte des
17. Jahrhunderts hat man allgemein zugegeben, das Auge allein
sei ein unzuverlässiger Zeuge und man müsse das Mikroskop an-
wenden, statt sich auf das ununterstützte Zeugniss unserer eigenen
schwachen und unsicheren Sinne zu verlassen. Das Mikroskop
aber verbessert sich fortdauernd, und wir können nicht sagen,
"welches die Grenze seiner Verbesserungsfahigkeit sein mag. Folglich
können wir nicht sagen, welch neue Geheimnisse es uns noch ent-
hüllen werde. Eben so wenig können wir sagen, es werde nicht
vielleicht durch ein neues künstliches Hülfsmittel verdrängt werden,
wo wir dann eine Belehrung erhalten mögen, die eben so sehr
unsere gegenwärtige mikroskopische übertrifft , als diese die Be-
lehrung des unbewaffneten Auges. Schon jetzt und ungeachtet
der kurzen Dauer der Zeit, wo das Mikroskop ein wahrhaft wirk-
sames Instrument gewesen ist, hat es uns Organismen enthüllt,
deren Dasein vorher Niemand geahnt hatte. Es hat bewiesen, dass,
was Jahrtausende lang für blose Theilohen einer todten Masse
gegolten hatte, in Wahrheit kleine Thiere sind, welche die meisten
Functionen, die-wir haben, ebenfalls ausüben, ihre Gattung regel-
mässig und ordentlich fortpüanzen und ein Nervensystem haben,
welches beweist, dass sie des Schmerzes und der Freude fahig
sein müssen. Es hat Leben in den Gletschern der Schweiz ent-
deckt, es hat es im Polareise gebettet gefunden, und wenn es dort
gedeihen kann, so kann man sich schwerlich einen anderen Ort
denken, von dem es ausgeschlossen sein sollte. So abgeneigt sind
jedoch die meisten Menschen alte Begriffe aufzugeben, dass man
die Chemie zu Hülfe gerufen hat, um den angenommenen Unter-
schied zwischen organischer und unorganischer Materie festzustellen,
da versichert wird, in der organischen Welt sei eine grössere Ver-
Wickelung der molecularen Combinationen als in der unorgani-
schenßo?) Chemiker behaupten ferner, in der organischen Natur
909) "Organic substances, whether directly derived from the vegetable or animal
kingdom, or produced by the subsequent modification of bodies which thus originate,
are remarkable as a class for a degree of complexity of constitution far exceeding that
observed in any of tho compounds yet desoribed." Fowncä Obemistry, 3d edit., Lou-
dvll 1550, p. 353. Ich citire die erste beste Autorität für eine Lehre die von allen
Chemikern angenommen wird und ohne Zweifel richtig ist, soweit u n se r e Exp eri-
mente jetzt gehen.