462
Schott.
des
Untersuchung
Geistes
und fand den Scharfsinn des Richters viel wichtiger als die Masse
der Zeugnisse, hielt dafür, dass Zeugen leicht falsch aussagten,
und dass er in seinem Geiste die sichersten lllaterialien besitze,
um zu einem richtigen_Schlusse zu gelangen. Es braucht daher
nicht zu befremden, dass Cudworth und Hume durch Verfolgung
entgegengesetzter Methoden zu entgegengesetzten Resultaten ge-
langten, denn ein solcher Widerspruch ist, wie ich schon bemerkt
habe, unvermeidlich, wenn Männer einen Gegenstand nach ver-
schiedenen Methoden untersuchen, welcher bei dem gegenwärtigen
Zustande unserer Wissenschaft einer streng wissenschaftlichen Be-
handlung noch nicht unterworfen Werden kann.
Die Länge, zu der sich dieses Kapitel schon ausgedehnt hat,
und die Zahl der Gegenstände, die ich noch zu behandeln habe,
wird mir nicht erlauben die Philosophie Reid's bis ins Einzelne zu
erörtern. Reid ist der ausgezeichnetste unter den blos speculativen
Denkern Schottlands nach Hume und Adam Smith, muss aber
seiner Bedeutung nach tief unter sie gesetzt werden; denn er hatte
weder das Umfassende von Smith noch die Kühnheit von Hume.
Der Umfang seines Wissens war nicht weit genug, um ihm zu
erlauben, viel umfassend zu sein, während eine Schüchternheit, die
sich fast zur Feigheit steigert, ihn von den Ansichten zurück-
schreckte, die Hume ausgesprochen hatte; nicht sowohl weil sie
falsch, als weil sie gefährlich waren. Es ist jedoch gewiss, dass
kein Mensch als Philosoph einen hohen Rang einnehmen kann,
der sich von solchen Rücksichten fesseln lasst. Ein Philosoph
muss blos auf Wahrheit ausgehen und den praktischen Einfluss
seiner Speculationen ausser Acht lassen. Sind sie wahr, mögen
sie bestehen; sind sie falsch, mögen sie fallen. Aber ob sie an-
genehm oder unangenehm, 0b sie tröstlich sind oder nicht, ob sie
gut oder schädlich sind, ist eine Frage, die nicht den Philosophen
sondernden Praktiker angeht. Jede neue Wahrheit, die ausgesprochen
worden ist, hat eine Zeitlang Schaden gestiftet; sie hat Unbeqnem-
lichkeit, oft Unglück hervorgebracht; manchmal durch die Störung
socialer oder religiöser Einrichtungen, und manchmal durch den
blosen Bruch mit alten, beliebten Gewohnheiten des Gedankens.
Erst nach einiger Zeit und wenn das Gebäude der Angelegenheiten
sich der neuen Wahrheit anbequemt hat, wiegen ihre guten Wir-
küllgen vor; dieses Vorwiegen nimmt immer zu , bis die Wahrheit
zuletzt nur Gutes wirkt. Im Anfange ist allemal etwas zu leiden.
Und wenn die Wahrheit sehr bedeutend und etwas ganz Neues ist,