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des
Untersuchung
Schott.
Geistes
dass die Unterstützung der Armuth diese vermehrt, indem sie die
Sorglosigkeit befördert. Aber trotzdem kommt das entgegengesetzte
Prineip des Mitleids ins Spiel und wird auf einige Gemüther mit
solcher Stärke wirken, dass es rathsam wird für den, der so fühlt,
Almosen zu geben; denn wenn er es nicht thut, würde ihm die
Gewalt, welche er seiner Natur anthut, mehr Schaden zufügen,
als seine Mildthätigkeit den allgemeinen Interessen der Gesellschaft
Nachtheil zufügen könnte.
Hoffentlich wird man nicht finden, dass ich mit diesen Be-
merkungen eine Absehweifung von der Hauptaufgabe dieses Kapitels
gemacht habe. Zwar habe ich mit ihnen eine allgemeine Frage
über den wissenschaftlichen Beweis aufklären wollen, habe dabei
aber nur den näheren Zweck verfolgt, die Philosophie Adam Smitlfs
zu erläutern und die Methode zu erklären, welche dieserxäusserst
tiefsinnige und originelle Denker befolgt hat. Wir werden jetzt
einsehen können, wie völlig deductiv sein Plan und was für eine
besondere Form der Deduction er war. In seinen beiden grossen
Werken stellt er zuerst gewisse Begriffe auf und geht von. ihnen
zu den Thatsachen der Aussenwelt fort. Und in jedem der beiden
Werke argumentirt er nur von einem Theil seiner Prämissen aus
und ergänzt den Rest in dem anderen Werke. Keiner von uns
ist ausschliesslich selbstsüehtig und Keiner aussehliessend wohl-
wollend. Adam Smith trennt in seiner Speculation Eigenschaften,
welche in der Wirklichkeit untrennbar sind. In seinen „sitt-
liehen Gefühlen" schreibt er unsere Handlungen dem Wohl-
wollen zu; in seinem "Nationalreichthum" schreibt er sie
der Selbstsueht zu. Ein kurzer Ueberblick über beide Werke
wird diese ihre Grundversehiedenheit darthun und uns in den Stand
setzen zu erkennen, dass Jedes das Andere ergänzt; dass man
also, um Jedes zu verstehen, nothwendig beide studiren muss.
In der „Theorie der sittlichen Gefühle" stellt Adam
Smith ein grosses Prineip auf, von dem aus er weiter sehliesst
und dem sich alle anderen unterordnen. Dies Prineip ist, dass die
Gesetze, die wir uns selbst vorschreiben und nach denen wir
unser Betragen einrichten, nur durch die Beobachtung des Betragens
Anderer erlangt werdenü") Wir beurtheilen uns selbst, weil wir
37) „0ur continual observations upon the Eonduct of others, insensibly lead lls to
form to ourselves certain general mles coucerning what is fit und proper either tp be
done or to be uvoided." „It is thus that the general rules of morality are for-