während des
17. Jahrh_
393
seine abschreckendsten Züge verschleiert, und er muss seine an-
geborene Hässlichkeit verhüllen. Bei unserer Geistlichkeit ist ein
ernstes und anständiges- Abkommen zur Sitte geworden und an
die Stelle des kühnen und feurigen Krieges getreten, den ihre
Vorfahren gegen eine sinnliche und in Finsterniss lebende Welt
führten. Ihre Drohungen haben sichtlich abgenommen, sie erlauben
uns jetzt ein wenig Vergnügen, ein wenig Luxus und ein wenig
Glück. Sie sagen uns nicht mehr, wir müssten jede Lust ersticken
und jedes Behagen entbehren. Die Sprache der Autorität ist ihnen
abhanden gekommen, hie und da ünden wir noch Spuren des
alten Geistes, aber nur wenn sie unter Ungebildeten sind und zu
einer unwissenden Versammlung sprechen. Die höhere Geistlich-
keit, die einen Rang zu verlieren hat, ist vorsichtig geworden.
.Und was die Herren auch im Stillen denken mögen, sie wagen
es selten, jene furchtbaren Anklagen zu erheben, von denen ihre
Kanzeln einst ertönten, vor denen in alten Zeiten das Volk ängst-
lich zusammenschrak, und die alle erniedrigten ausser dem Einen,
der diese Anklagen ausstiess. Zwar ist Vieles davon verschwunden,
aber es ist noch genug übrig geblieben, um uns zu zeigen, was
der theologische Geist ist, und zu dem Glauben zu berechtigen,
dass nichts als der Druck der öffentlichen Meinung ihn daran
verhindert, in die frühere Ausschweifung auszubrechen. Viele von
der Geistlichkeit bleiben dabei, die Lüste dieser Welt anzugreifen;
sie vergessen, dass nicht nur die Welt, sondern Alles was sie
enthält, das Werk des Allmächtigen ist, und dass die Triebe und
Begierden, welche sie als ünheilig brandmarken, einen Theil der
Gaben bilden, die er den Menschen gegeben. Sie haben noch erst
zu lernen, dass unsere Begierden eben so gut zu uns gehören als
jede andere Leidenschaft die wir besitzen, und dass sie entwickelt
werden müssen, wenn das ganze Individuum sich entwickeln soll.
Wenn ein Mensch einen Theil seines Wesens unterdrückt, so wird
er gelähmt und verstümmelt. Die richtige Grenze unserer Triebe
ist die, dass wir weder uns noch andern damit schaden. Bis zu
dieser Grenze ist Alles erlaubt. Wer sich der gefahrlosen und
mässigen Befriedigung der Sinnlichkeit enthält, lässt einen Theil
seiner wesentlichen Kräfte ausser Uebung kommen, und muss daher
für unvollkommen und unvollendet gelten. Einem Solchen fehlt etwas,
er ist verkrüppelt, er hat nie seine volle Ausbildung erreicht, E1-
Inag ein Mönch sein, er mag ein Heiliger sein, aber ein Mensch
ist er nicht, und wir brauchen jetzt mehr als je wahre und. echte