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des
Untersuchung
Schott.
Geistes
ihre Gründe und die Zeugnisse, welche sie beibringen, studirt
haben. Hierüber brauche ich mich jedoch nicht weiter zu ver-
breiten, denn so wie die Menschen fast jedes Jahr und sicherlich
jede Generation sich mehr an scharfes und genaues Denken ge-
wöhnen, gerade in demselben Verhältniss verbreitet sich die Ueber-
Zeugung, dass die Theologen von willkürlichen Annahmen ausgehen,
für die sie keinen anderen Beweis, als wieder neue Annahmen
haben, die eben so willkürlich und eben so unbewiesen sind. Das
ganze System beruht auf Furcht, und auf einer Furcht von der
schlimmsten Sorte, denn nach ihnen hat der grosse Urheber unseres
Daseins seine Allmacht auf eine so grausame Weise benutzt, dass
er scineiGeschöpfe mit Neigungen, Instinkten und Wünschen aus-
gestattet hat, deren Befriedigung er ihnen nicht nur verbietet,
sondern die sie auch der ewigen Strafe über-liefern sollen.
jWas die Theologen für die Studirstube sind, das sind die
Priester für die Kanzel. Die Theologen wirken auf die fleissigen
Gelehrten, die lesen; die Priester auf die Müssigen, die ihnen zu-
hören. Wenn wir jedoch bedenken, dass ein und derselbe Mann
oft beide Geschäfte versieht, und dass noch dazu der Geist und
die Absicht beider Geschäfte die nämlichen sind, so dürfen wir in
praktischer Hinsicht beide Klassen als eine betrachten, und beide
zusammen und im Ganzen genommen sind, das wird jeder zugeben,
der einen umfassendenBlick auf das wirft, was sie wirklich gethan
haben, nicht nur die bittersten Feinde menschlicher Glückseligkeit
gewesen", sondern haben auch in ihrer Feindschaft den grössten
Erfolg gehabt. In ihren glücklichen Tagen, als sie obenauf waren,
als sie die unbestrittene Herrschaft in Händen hatten, als Leicht-
gläubigkeit allgemein und Zweifel unbekannt war, brachten" sie
alles mögliche Elend über die Menschheit. "Sie liessen Fasten,
Büssungen und. Pilgerfahrten halten, lehrten ihre einfältigen und
unwissenden Opfer alle Arten von Kasteiungen, sich selbst zu
geisseln, sich selbst zu zerfleischen und ihre natürlichsten Neigungen
zu ersticken. Dies war_ der Zustand Europas im Mittelalter.
Es ist noch der Zustand jedes Landes in der Welt, wo die
Priesterschaft obenauf ist. Solche ascetische und selbstquäle-
rische Gebräuche sind die unvermeidliche Frucht des theologischen
Geistes," wo dieser ungezügelt ist. Jetzt verliert er wegen des
raschen Fortschritts unserer Wissenschaft fortdauernd Boden, der
wissenschaftliche und weltliche Geist bricht in sein Reich ein.
Deswegen sind in unserer Zeit und besonders in unserem Lande